Was denkst du über Verletzlichkeit? – unerwartet ich 4

unerwartet ich: Verletzlichkeit ist keine Schwäche

Auf die heutige Frage komme ich, weil ich neulich einen TED Talk gesehen habe. Und da ging es u.a. darum, was die meisten Menschen mit Verletzlichkeit und dem Zeigen von Gefühlen gleichsetzen. Schwäche nämlich.

Was ist deine erste Reaktion, wenn du daran denkst, deine verletzliche Seite zeigen sollst? Meine ist: Kein Ding, mach ich eh immer. Tatsächlich bin ich unglaublich schlecht darin, Leuten was vorzuspielen. Wer mich trifft und mich Dinge fragt, der bekommt eine Antwort. Und keine oberflächliche. Ich kann das nicht. Aber ich habe mir oft gewünscht, dass ich besser darin wäre, oberflächlicher zu antworten. Nicht immer zu zeigen, wie es mir geht.

Wie gehts dir wirklich?

Ich erinnere mich zum Beispiel an eine Situation mit einem Schauspieler, kurz bevor das Interview starten sollte. Man wird bei solchen Interviews ja in die Räume geführt wo die Interviewten dann sitzen und auf die nächsten Fragen warten. Und der Mensch, der mir die Tür öffnete, fragte: „How are you?“ Ich weiß natürlich, dass das nur eine Floskel ist, das ist eins der ersten Dinge, die wir alle im Englischunterricht beigebracht bekommen. Die Antwort darauf müsste also immer sein: „Iam fine, thank you“. Allet supi, schönes Wetter, danke tschüss. Aber ich kann das einfach nicht. Ich antworte dann wie es mir wirklich geht. Egal, wie das dann eben gerade der Fall ist.

unerwartet ich: Verletzlichkeit

Der Schauspieler hatte mitbekommen, dass ich mit meiner Antwort leicht ins Schleudern gerate und wollte den Grund dafür wissen. Und ich meinte: Ich kann so ganz schlecht oberflächlich sein. Wer mich fragt, der bekommt eine Antwort, egal wie tief die geht, egal wie verletzlich ich mich damit vielleicht mache. (Das gilt übrigens ja auch gerade für diesen Artikel. Auch damit mache ich mich verletzbar, angreifbarer.) Weil ich weiß, dass die Frage kommt, was mein Gegenüber dazu gesagt hat: „I love it“. Das war die Antwort.

Verletzlichkeit hilft allen

Auf den ersten Blick denke ich also selbst: Verletzlichkeit zu zeigen ist eine Schwäche. Weil sie mich angreifbarer macht, weicher, offener. Weil ich gelernt habe: Andere können damit nicht umgehen. Aber ist das wirklich Schwäche? Oder hilft das nicht am Ende uns allen, dass wir näher zusammenrücken, uns mehr ein- und einander zugestehen? Wenn wir uns einander öffnen können, fühlen sich Menschen weniger allein. Wir können mehr in Kontakt miteinander kommen und profitieren am Ende alle davon. Die Antwort auf all den Hass in der Welt, die kann doch niemals Gewalt und noch mehr Hass sein. Sondern Liebe, Zuwendung, Hingabe. Und die zeigt sich eben in Verletzlichkeit.

Was denkst du über Verletzlichkeit?

Deswegen, meine Frage an euch: Was denkt ihr über Verletzlichkeit? Wie verletzlich, wie offen seid ihr in eurem Alltag mit euren Mitmenschen? Ich freue mich wirklich auf eure offenen Antworten. Und wenn nicht hier, dann gern auch per Mail.

Mehr Fragen aus der Serie „unerwartet ich“ findet ihr hier.

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Eine Antwort

  1. geminiinc sagt:

    Für mich lautet die Antwort: differenzieren. Wer fragt mich das wann und wo. Ist es jemand, dem ich das wahrheitsgemäß beantworte, aber der Ort passt nicht, dann kommuniziere ich das auch so und komme bei Gelegenheit darauf zurück. Ist es erkennbar Floskel, antworte ich oft mit der Gegenfrage: „Möchtest Du das wirklich wissen oder belassen wir es bei: ‚Gut, danke und selbst?‘ “ oder auch: „Was machst Du, wenn Du gleich mit der Antwort überfordert bist?“ Das peinliche Schweigen auf die nicht erwartete Antwort: „Meine Mutter ist verstorben.“ bei der Frage nach einer Fehlzeit war da eindrücklich. Mein Rat an die fragende Runde: „Fragt nicht, wenn Ihr nicht für die Antwort bereit seid.“ Vielleicht hat es sich ja jemand gemerkt. Trotzdem finde ich, gibt es ja auch eine Berechtigung für Smalltalk, und das gehört ja dazu. Im englischsprachingen Raum empfinde ich die Frage eher als ein „Hallo“ und antworte standardisiert. Außer bei Freuden/Familie, siehe oben 😉

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