Laura Tonke im Interview zu „Feste & Freunde“: „Ich will diesem Gefühl nachgehen“
Laura Tonke spielt in „Feste & Freunde“, dem Kinofilm der ab 2.1.25 in den Kinos läuft, Ellen. Für mich war die Figur schon ein Ankerpunkt in diesem tollen Ensemblefilm, weil sie, anders als andere Figuren, zu allen Personen eine Beziehung zu haben scheint. Im exklusiven Interview sprechen wir aber nicht nur über Freundschaften, sondern auch übers Kinder haben und sich mit anderen streiten. Mir hat dieses Interview, wie auch die anderen beiden zum Film, sehr großen Spaß gemacht, weil alle drei Schauspielenden so große Lust auf den Austausch hatten und in jedem Gespräch Bezug auf das vorherige genommen wurde. Deswegen solltet ihr das Interview mit Laura Tonke auch nicht verpassen.
Mein Lieblingssatz in diesem Film war „Seid euch wichtig“. Im Anschluss ans Film gucken habe ich mehreren Freund*innen geschrieben und ihnen das gesagt. Ist das eine Reaktion, die du dir von dem Film erhoffst?
Laura Tonke: Ja. Ich wünsche mir das und es ist bei mir auch selber passiert. Zum einen habe ich gemerkt, dass ich während des Drehs praktisch neun neue Freunde hatte, die ich auch wirklich sehr mochte und mit denen ich sehr viel Zeit verbracht habe. Dann gab es auf der anderen Seite aber ab und zu auch so ein Gefühl von Heimweh nach meinen eigenen Freunden, die ich ja in der ganzen Zeit gar nicht sehe und mit denen ich auch kaum spreche. Es wird über die Dreharbeiten meistens immer weniger, weil ich dann immer mehr in dem Film versinke.
Jetzt gerade während der Pressearbeit für den Film merke ich das auch wieder: Ich will meinen Freunden ein Zeichen geben, weil ich weiß, dass ich auch eine Freundin bin, mit der sie es nicht immer leicht haben. Weil ich viel unterwegs bin. Ich glaube auch, dass das etwas ist, was wir der jetzigen Welt entgegensetzen können. Dass wir mit uns, unseren Freunden oder vielleicht sogar unseren Mitmenschen liebevoll umgehen.
Ich finde deinen Charakter Ellen spannend, weil ich das Gefühl habe, sie mäandert sehr. Sie hat ihre Freund*innen, sie hat ihre Affäre. Aber sie ist auch sehr auf der Suche nach Bestätigung.
Ja, sie lebt sehr im Außen.
Für mich wurde das auch deutlich in dem Moment, als sie sich auf die Suche nach ihrem „Bunker Buddy“ begibt, für den Moment, wenn der Krieg kommen sollte.
Ich finde es aber toll, dass sie diese Sorgen und ihre Suche so zulassen kann.
Ich finde das auch nicht so einfach. Es gab bei mir dem Moment, wo ich dachte: Wow, bei mir im Moment stellt sich die Frage nach dem Bunker Buddy nicht. [Sie klopft auf den Tisch]. Aber das kann sich ja auch ganz schnell ändern. Ich habe Freunde, bei denen würde sich die Frage stellen. Das nachzuempfinden, was für ein Glück ich da habe.
Ich habe eine ganz gute Freundin von früher und der habe ich so Mitte 20 öfter mal so kurz vor unseren Treffen abgesagt. Da war ich ein bisschen unverbindlich, so „lass uns mal übermorgen schauen“, larifari eben. Bis heute echot aber in meinem Kopf, dass sie dann irgendwann zu mir meinte: „Du hast nen Freund, den siehst du sowieso jeden Abend. Ich hab das nicht. Wenn ich eine Verabredung mit dir habe und du sagst die ab, dann sitze ich allein zuhause.“ Es war eine Momentaufnahme, aber daran erinnere ich mich, weil man einfach auch ein bisschen pfleglich mit seinen Beziehungen umgehen muss.
Ich bin jemand, ich bin tatsächlich super gern mit mir alleine. Das liegt vielleicht auch an meinem Beruf, da sind genug Leute. Ich kann sehr gerne den Rest der Zeit alleine sein. Wenn ich mich nicht um meine Freunde kümmere, dann merke ich, dass sie mir abhanden kommen. Dann muss man jedes Mal wenn man sich trifft aufholen, was in den letzten drei Monaten passiert ist. Das ist nicht gut. Es ist schon besser, wenn man weiß was so los ist. Sonst kommt man immer wieder dieselben Gespräche.
Ich hab mit Henning ein bisschen darüber philosophiert, wie sich die Freund*innen im Film wohl verabreden, wie sie untereinander kommunizieren. Das zeigt der Film ja nicht, stattdessen gehen die Geschichten auf den Festen immer weiter. Was glaubst du, wie die das machen?
Ich glaube, dass die sich zwischendrin einzeln treffen. Ich glaube, dass Ellen mit ihrer besten Freundin Natalie viel schreibt und vielleicht sogar Sprachnachrichten schickt. Das kann ich mir irgendwie vorstellen. Vielleicht, weil ich eine Freundin habe, die Ärztin ist und mit der ich immer Sprachnachrichten schicke.
Ich glaube auch, dass eben Ellen ein paar von den Leuten sonst nicht sieht. Vielleicht sind das Phasen, in denen das so ist. Das kennt man von seinen eigenen Freunden ja auch, dass man einfach so Phasen hat, wo man mit jemandem plötzlich nicht mehr so viel anfangen kann. Sei es, weil die Person sich im Kreis dreht und man das nicht aushält, oder weil man sich selbst im Kreis dreht und andere das nicht aushalten.
Ich habe das schon auch bemerkt, und das war bei dir wahrscheinlich auch so, dass wenn man Kinder bekommt, dass man dann so zwei, drei Freunde verliert. Das geht dann auseinander. Und jetzt kommen die aber wieder zurück. Es gab eine Zeit, da hatten wir uns nicht. Ich verstehe das auch, das muss wahnsinnig langweilig sein, wenn man nichts mit Kindern anfangen kann. Aber jetzt sind andere Dinge möglich, weil das Kind älter ist.
Ja, man wird wieder freier. Ich merke das auch so langsam. Was Katia aber schönes gesagt hat, möchte ich auch mit dir teilen, weil es so gut dazu passt. Sie meinte, sie findet es manchmal unfair, wenn Freund*innen mit Kindern sich zurückziehen. Weil man ja vorher auch für die da war und das alles mitgemacht hat.
Ich kann total nachvollziehen, was sie sagt. Ich erinnere mich auch daran, als ich noch kein Kind hatte, dass ich es auch krass fand. Aber ich glaube das ist etwas, dass man mal besprechen muss. Die Frage: Wie kann ich Teil deines Lebens bleiben, die muss man stellen. Erst als ich ein Kind hatte, habe ich verstanden, dass ich meinen Freundinnen viel öfter hätte anbieten sollen, mal zu babysitten oder vorbeizukommen. Wenn das Kind dann die ganze Zeit dazwischen quakt, dann ist das eben so. Das halte ich doch aus. Aber ich kam nie auf die Idee.
Mir sind dann später wie im Schnelldurchlauf dann Sachen eingefallen, wo ich dachte: „Scheiße, da hatte ich da sein müssen. Das hätte ich anbieten müssen“. Ich habe mal eine Freundin besucht, die hat Zwillinge und ich habe, ohne drüber nachzudenken, bei ihr aufm Sofa bis 9:30 Uhr ausgeschlafen. Ich habe das nicht hinterfragt. Meine Freundin war natürlich schon stundenlang wach, aber ich hab da nicht drüber nachgedacht.
Als wir dann Freunde zu Besuch hatten, die dann auch bis 11 geschlafen haben, fand ich das natürlich unmöglich. Die haben das Wohnzimmer besetzt. Da habe ich das erst verstanden.
Weißt du, was ich auch nicht kann, ist mit anderen Familien in Urlaub fahren. Weil selbst wenn man jetzt die Erfahrungen hat, die du gemacht hast und die alle Eltern irgendwann machen, es bleibt ja doch so, dass alle Familien unterschiedlich sind. Jede Familie hat eigenen Regeln, braucht was anderes.
Das stimmt. Wir haben das auch sehr oft am eigenen Leibe erfahren, im Positiven wie im Negativen. Es ist genau der Punkt, man merkt erst dann, wie krass das ist. Vorher ist einem das gar nicht so bewusst, weil man denkt: Klar, man kann doch zusammen in Urlaub fahren. Bis man dann merkt, was den anderen Eltern wichtig oder uns vielleicht nicht. Man denkt vorher immer, dass das doch allen klar ist. Aber das ist es nicht.
Was ich mich frage ist ja, wie wird sich die Freundesgruppe im Film entwickeln wird, jetzt, da die Kinder eben auch da sind. Weil die ja auch das durchmachen werden, was wir hier gerade besprechen.
Das weiß man nicht, stimmt. Und es gibt ja auch noch diesen Neidfaktor. Bei mir gab es im Freundeskreis Personen die, schon als ich gesagt habe, dass ich schwanger bin, das Gefühl hatten, sie würden mich jetzt verlieren. Ich war vollkommen perplex, weil ich gar nicht an Verlust, sondern an Zugewinn gedacht habe. Ich konnte gar nicht an Verlust denken und habe mich gefragt, warum die sich nicht freuen. Witzigerweise kann ich jetzt, 14, 15 Jahre später verstehen, was sie meinten.
Aber eine Freundin von mir zum Beispiel hatte auch mal einen Freund, mit dem ich überhaupt nicht zurecht kam. Da verliert man auch was. Ich konnte das nicht sagen, das wäre grenzüberschreitend gewesen.
Und dann kannst du das nicht klären und musst den Menschen im Zweifelsfall erstmal ziehen lassen. Deine Ellen im Film klärt es zum Beispiel ja auch nicht mit Sebastians Frau.
Ich glaube, dass sie es irgendwann klärt. Aber weißt du, was ich richtig krass fand: Den Streit zwischen Ellen und Natalie. Ich streite mich mit meinen Freundinnen so nicht. Das könnte ich nicht. Vielleicht habe ich zu hamoniebedürftige Freunde dafür, und die anderen sind nicht meine engsten Freunde. Ich habe schon auch ein paar krawallige im Freundeskreis, aber die sind dann nicht ganz so eng.
Das ist einfach echt ne Ansage, dieser Streit. Und ich glaube, da hat mir Ellen was voraus. Sich so streiten zu können, dass man einfach sagt: „Du nervst mich total, du denkst immer, dass du mich rettest“. Ich würde mich nie so mit jemandem streiten. Allerhöchstens vielleicht mit meinem Mann.
Das habe ich aber gerade auch gedacht: Ich glaube, man streitet sich in einer Beziehung dann doch noch mal anders als in einer Freundschaft.
Vielleicht hat es aber auch nicht nur was mit der Harmoniebedürftigkeit unter uns, meinen Freundinnen und Freunden zu tun. Ich frage mich nämlich auch gerade, warum ich mich mit meinem Partner so streiten kann. Das hat ja auch was mit Vertrauen und Nähe zu tun. Und vielleicht sind Natalie und Ellen wirklich auf eine andere Art und Weise befreundet.
Ein Satz von Ellen, den ich gleichzeitig total gut und schwierig finde ist „ Es lohnt sich bei jedem kleinen Gefühl ganz genau hinzuschauen“. Wie geht’s dir mit diesem Satz?
Was ich daran mag, ist, dass sie sagt: Ich will meine Gefühle ernst nehmen. Und wenn es ein kleines Gefühl ist, was mir sagt „geh dem nach“, dann will ich dem auch nachgehen. Ich will nicht immer, dass mein Kopf sich dann einschaltet und sagt „das geht doch nicht … Er ist jünger, der ist dies, der ist das… Da zu sagen: Nein, das ist ein Gefühl und dem will ich jetzt nachgehen, da kann ich was mit anfangen. Wie ist es bei dir?
Ich finde, wir hören zu wenig auf unsere Gefühle. Wir schieben die viel zu schnell weg, deswegen finde ich diese Erinnerung daran total gut. Auf der anderen Seite finde aber, man kreist dann auch so sehr um sich selbst, wenn man jedem Gefühl nachgehen würde. Wenn ich permanent darüber nachdenke, was ich fühle und anfange, alles zu interpretieren. Dann denke ich: Was denkt Laura eigentlich, während wir beide hier sitzen? Das wird dann ungesund.
Absolut. Ich habe das eher so bezogen auf die Situation mit Max und ihr. Die Frage: Soll ich dem jetzt nachgehen oder nicht. Für mich ist das eine Erinnerung pro Gefühl und kontra Kopf und insofern würde ich dem zustimmen.
Wenn ihr zum Jahresanfang auch eure Freundschaften feiern wollt, dann kann ich einen Besuch im Kino nur empfehlen. „Feste & Freunde“ wird euch sicher darin bestärken, eure Freundschaften zu pflegen und aufeinander gut aufzupassen. Und gerade zu Beginn eines Jahres ist das doch ein gutes Vorhaben, oder? (Obwohl Freundschaften immer wichtig sind, nicht nur in den ersten Tagen des neuen Jahres!)
Die Interviews mit Katia Fellin und Henning Flüsloh könnt ihr auch auf dem Blog nachlesen.
Eine Antwort
[…] Laura Tonkes Ellen sagt ja auch den tollen Satz „Es lohnt sich bei jedem kleinen Gefühl, ganz genau hinzuschauen“. Deine Figur Max macht das einerseits. Andererseits ist er aber auch ein bisschen feige. Was denkst du denn über diesen Satz. Lohnt es sich wirklich immer? […]