Ich habe versagt – was aus dem Geburtsberichtebuch wurde
So, ich habe eigentlich viel zu lange geschwiegen. Immer und immer wieder kamen Nachfragen von euch, was denn nun ist mit dem Geburtsberichtebuch. Ob ich noch Hilfe brauchen würde? Noch Texte, Erlebnisse. Wann ihr denn nun endlich etwas in den Händen halten könnt. Wie es aussieht.
Und ja, ich habe euch immer und immer wieder vertröstet. Weil ja noch nichts spruchreif war.
Nun, tja, nun ist auch nichts spruchreif, weil ich nämlich gescheitert bin. Aber vielleicht erzähle ich einfach der Reihe nach.
Geburtserfahrungen, die wütend machen
Vor anderthalb Jahren bekam ich einen Geburtsbericht zugeschickt (weil ich mal erwähnte, dass ich die so gerne lese), der mich sehr schockierte. Was die Frau für Gewalt und Übergriffigkeit erlebt hat, das machte mich sprachlos. Und wütend. Weil niemand da öffentlich drüber zu reden schien. Weil am Ende immer gesagt wurde: „Na, Hauptsache dem Kind gehts gut!“ Weil frischgewordenen Müttern abgesprochen wurde, dass an einer Geburt irgendwas traumatisch sein könnte. Es haben sicher alle ihr Bestes gegeben. Weil sich, so der Vorwurf, die Schwangeren vielleicht auch einfach anstellen würden.
Schon wenn ich das hier schreibe erfasst mich wieder eine unglaubliche Wut.
Ohne Geburtshelferin – kein Buch
Jedenfalls wollte ich Berichte sammeln, wie Frauen Geburt erlebt haben. Die Ausrichtung war dabei nie: Nur die traumatischen (auch wenn sich deutlich mehr Frauen gemeldet haben, die ein traumatisches Erlebnis hatten). Am Anfang wollte ich die nur sammeln und veröffentlichen, als E-Book für alle. Aber schon beim Lesen der Berichte wurde klar: So ganz ohne „Betreuung“, ohne Einordnung von Fachmenschen wird das nicht gehen. Weil schwangere Frauen nicht (noch) mehr Berichte brauchen, die Angst machen, sondern Hilfe, Unterstützung, Bestärkung. Und dafür brauchte ich fachliche Unterstützung, denn ich bin Journalistin, keine Hebamme. Ich kann schreiben, einordnen, recherchieren. Ich bin aber keine Geburtshelferin, die dieses Buch dringend braucht.
Ein Buch mit einem Verlag machen
Gleichzeitig bekam ich von zwei Verlagen die Anfrage, ob wir das Buch nicht zusammen machen wollten. Ich freute mich sehr. Nach einem Gespräch war der erste Verlag dann doch wieder draußen, denn Geburt und Schwangerschaft, das ist nicht soooo leicht im Handel zu platzieren.(Ich würde darüber ja gern mehr schreiben, aber ach…)
Der zweite Verlag war interessiert, wollte und konnte aber nichts zahlen. Das war für mich schwierig, denn die fachliche Unterstützung, die Hebammen und Ärzt_innen und all die anderen Frauen, die ich um Mithilfe bitten wollte, die wollte ich ja auch bezahlen. Und von nichts zahlt es sich einfach schlecht.
Geplant war ja eigentlich, das Ganze als E-Book herauszubringen, ohne Verlag. Aber als klar war, dass ich eben Geld brauche um die fachliche Unterstützung zu bezahlen, war der Gedanke, das Buch mit einem Verlag rauszubringen und den Vorschuss zum Bezahlen der Mitwirkenden einzusetzen der einzig Logische. So würde das Buch entstehen können und ich könnte alle bezahlen.
Die Mühlen im Verlag mahlen langsam
Ich bekam Hilfe von ganz wunderbaren Frauen, die meine Buchidee bei anderen Verlagen vorschlugen. In der Zwischenzeit wurde ich schwanger. Und ich sage euch: Die Mühlen bei Verlagen mahlen langsam, sehr sehr langsam.
Ich sprach also mit einem weiteren Verlag. Der war sehr interessiert. Ich sollte nur das Konzept hier und da nochmal ändern. Dann herrschte Schweigen. Dann sollte ich noch etwas ändern. Wieder Arbeit, wieder Schweigen. Meine dritte Schwangerschaft schritt voran und wurde immer beschwerlicher. Es kam eine Absage, kurz vor der Geburt.
Wenige Tage nach der Geburt ein neuer Verlagskontakt. Ich solle mein Konzept doch gern einreichen. Machte ich, natürlich. Es gab immer wieder Rückfragen, neue Konzepte, Ideen. All das frisst so viel Energie, gerade in auch in der Wochenbettzeit. Ich machte das alles mit, weil mir das Buch so wichtig war (und eigentlich ist). Es sah auch wirklich gut aus für meine Idee, ich war hoffnungsfroh. Dann, im November, wieder eine Absage.
Verlagsgespräche sind intensiv
In der Zwischenzeit ließ die Nachfrage von euch nach dem Buch aber nicht nach, weswegen ich dachte, ok, ich probiere es nochmal. Ich bekam einen neuen Kontakt, hatte sehr nette Gespräche, die mit drei kleinen Kindern aber trotzdem viel Kraft kosten. Denn natürlich ist es nicht so, dass man da nur mal kurz sagt, was man sich so vorstellt. Nein, in Verlagsgesprächen muss man auf 1000 Fragen vorbereitet sein, schnell reagieren, am besten auf alles eine Antwort haben. Hatte ich meist, während die Kinder um mich tobten, das Baby gestillt wurde, alle krank waren.
Auch aus dem Kontakt und den vielen Gesprächen wurde irgendwann eine Absage. Zwei Verlage waren letztlich im Rennen. Bis zu dem Moment, als Jana vom Hebammenblog mit ihrem Buch auf den Markt kam. Das eine sehr ähnliche Ausrichtung hat. Sie erzählte mir, dass sie seit Jahren von genau diesem Buch geträumt hat. Und sich schließlich ein Verlag fand, der das mit ihr zusammen umgesetzt hat. Und ich freue mich für sie, wirklich. Weil es doch etwas wunderbares ist, wenn sich Träume erfüllen.
Gleichzeitig muss ich aber auch gestehen:
Mir hat das den Boden unter den Füßen weggerissen. Ich rief sie unter Tränen an, weil ihr Buch zum Einen das Aus für mein Buch war, zum Anderen aber, weil ich, hätte ich davon gewußt, mein Wochenbett anders als im Kontakt mit Verlagen verbracht hätte.
Und ich glaube, dass diese Gefühle durchaus nebeneinander stehen können. Jana erzählte mir, dass sie mein Buch ganz anders gedacht hatte, deswegen auch nicht vorher Bescheid gesagt hat, na, das Leben eben. Und wenn ihr nach Geburtsberichten sucht, die kompetent und einfühlsam von einer Hebamme kommentiert sind und mit tollen Fotos von einer (Geburts)fotografin angereichert wurden, dann schaut euch ihr Buch an. Denn Janas Buch macht Mut. Und ordnet ein, was bei einer Geburt Angst machen könnte. Ihr bekommt nicht ungefiltert Erfahrungen, sondern jede Menge Hintergrundwissen von einer Hebamme, etwas, das ich für unglaublich wertvoll halte.
Absage fürs Geburtsbuch
Jedenfalls waren damit auch die letzten beiden Verlage raus. Und ich stehe da, wo ich vor anderthalb Jahren auch stand. Nur ausgelaugter. Ja, auch mit mehr Erfahrung, weil ich jetzt weiß wie viel Vorarbeit nötig ist, bis ein Buchvertrag zustande kommt. Ich weiß, wie man ein Manuskript schreibt. Mein Mann sieht das alles ja gern positiv und meint, dass mir ja auch diese Erfahrung niemand mehr nehmen kann. Aber wenn ich ehrlich bin, dann denke ich: In der Schwangerschaft und im Wochenbett, überfordert mit dem Alltag mit drei kleinen Kindern, da hätte ich das vielleicht nicht gebraucht. Aber als ich mit dem Buchprojekt anfing konnte ich das alles ja nicht wissen. Ich wusste nicht, dass ich nochmal schwanger werden würde, wusste nicht, wie das Leben mit drei Kindern ist.
Am Anfang fiel es mir noch leicht die Mails und Anfragen zu beantworten. Aber nach sicher über 20.000 Mails kann ich nicht mehr. Es ist zuviel. Es war zuviel und vor allem hat mir all das soviel Stress gemacht ohne, dass es sich einen Schritt bewegt hätte.
Und ja, auch die Zeit, die ich in diese Buch gesteckt habe, die ist weg. Zeit, in der ich entweder hätte bei meiner Familie sein können oder aber Geld verdienen. Stattdessen habe ich beides nicht gemacht.
Was mache ich jetzt?
Jedenfalls ist es nun so: Ich habe hier über 200 Geburtsberichte und glaube noch immer an die Idee und dieses Buch. Aber ich bin allein. Ich bin keine Hebamme, ich kann das Buch nicht ohne fremde Hilfe machen. Und ich will nicht, dass jemand kostenlos dafür arbeitet. Weil das unfair ist.
Tja, und so sieht es also aus. Ich glaube, ich habe die letzten Monate noch überhaupt nicht verarbeitet, habe die Mammutaufgabe „Ich finde einen Verlag fürs Buch“ total unterschätzt. Und stehe da, wo ich im Prinzip vor anderthalb Jahren eben auch stand. Nur ohne eine Idee, wie es weitergehen soll.
Was mache ich mit den Geburtsberichten? Wie gehe ich das an? Wie wird da noch ein Buch draus? Will das überhaupt noch jemand lesen, jetzt, wo das Thema viel öfter in den Medien ist?
Ich habe versagt
Ich rücke erst jetzt mit all dem raus, weil es sich zum Einen anfühlt als hätte ich versagt. Ich hatte diese Idee und nichts, wirklich nichts hat geklappt. Am Ende bin ich wieder am Anfang. Und das tut weh. Niemand ist gern ein_e Versager_in.
Zum Anderen habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ihr alle mir eure Geschichten und Erlebnisse anvertraut habt und ich es nicht geschafft habe, etwas Schönes, Gutes daraus zu machen.
Ich weiß nicht wie es weitergehen soll. Wisst ihr es?
Liebe Andrea, Du hast doch nicht versagt! Du hast so viel Herzblut, Zeit, Energie und auch Kraft in dieses Projekt gesteckt – das ist doch kein Versagen! Es tut mir wahnsinnig leid, dass Du so viel geopfert hast, nur um mitten auf der Strecke von jemand anderem überholt zu werden, den Du vorher gar nicht hast kommen sehen, der aber noch so viel mehr mitbringt als Du (nämlich Fachwissen).
Was mit den Berichten nun geschehen soll, weiss ich auch nicht. Sie dennoch unrezensiert und unreflektiert zu veröffentlichen – das passt nicht zu Dir; aber vielleicht bringt dieser Beitrag neue Impulse? Vielleicht findet sich ein Sponsor, der Unterstützung von außen möglich macht? Ich drück Dir alle Daumen!!!
Das tut mir sehr leid für Sie/dich. Ich bin auch fast an der Verlagssuche gescheitert, sogar trotz Agentur. Auch bei meinem Buch war bei den großen Häusern immer die Postionierung das Ausschlusskriterium. Schwankend zwischen Selbstverlag und Aufgeben hab ich nochmals selbst alle unabhängigen Klein- und Kleinstverlage angeschrieben. Tatsächlich hab ich so einen Verleger gefunden. Aber PR und so mache ich nun auch selbst. Beim Experten hab ich gleich gesagt, dass der Verleger nichts zahlen wird. Ich habe auch keinen Vorschuss etc. bekommen. Lange Rede kurzer Sinn: Wenn wieder Zeit ist, einfach weitersuchen. Vielleicht findest du ja eine engagierte Hebamme, die mitmacht, wenn sie ggf. auf die Missstände in der Geburtshilfe aufmerksam machen kann?
LG Ina Milert
PS: Mein Buch hat ein anderes Thema, Titel und so nenn ich nicht, dass es nicht so aussieht, als würde ich es so bewerben wollen.
Es tut mir so leid,dass du so viel Herzblut und Energie und Zeit gegeben hast. Aber meist ist nichts umsonst und für etwas gut. Ich hoffe,dass es auch hier so sein wird. Sei gut zu dir. Ich glaube nicht,dass es irgendwie an dir lag. Atme durch und fühl dich umarmt.
Du hast ganz und gar nicht versagt. Du hast einige neue Erfahrungen gesammelt. Aucg wenn dadurch andere Momente auf der Strecke geblieben sind. Diese Berichte sind es jedoch immer noch Wert veröffentlicht zu werden. In welcher Form auch immer! Interessant ist das Thema immer. Bitte mach etwas daraus
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