Gastpost: Arbeiten gehen und Mama sein

Gestern schrieb mein Mann über Väter, die mehr Elternzeit machen sollten, und darüber, wie das eben bei uns so ist. Ich freue mich, dass heute Lisa darüber berichtet, wie es bei ihr so läuft, die Sache mit der Elternzeit. Denn geplant war ein schneller Einstieg nach der Geburt und geteilte Elternzeit mit dem Mann. Doch dann kam alles anders.

Elternzeit – bitte nicht zwölf Monate 

   
Ich habe schon viele dumme Sprüche zu hören bekommen seit ich Mama bin. Doch in den letzten Monaten war es mal wieder besonders schlimm. Ich hatte mir nämlich erlaubt, ein zweites Kind zu bekommen, wollte aber nicht wieder zwölf Monate in Elternzeit gehen. Das hat sehr viele Leute dazu veranlasst, mir „Ratschläge“ zu geben und mir wurde sogar die Liebe zu meinen Kindern abgesprochen.
Ich verstehe das Elterngeld als Vorschlag und nicht als Zwang, ein ganzes Jahr zuhause zu bleiben. Es erstaunt mich ehrlich, dass so viele Menschen meine Einstellung ungewöhnlich finden. Dazu gehört auch Andrea. Sie hat mich gebeten, meine Gedanken zum Arbeiten mit Baby einmal aufzuschreiben.

Die erste Elternzeit hat mich gelangweilt

Nach der Geburt unseres ersten Kindes habe ich die klassischen Phasen der Mutter-Werdung durchlaufen. Zuerst war das Kind meganiedlich. Dann folgten ein sehr anstrengendes Wochenbett und die erste Verzweiflung. Daraufhin dachte ich, ich könnte meinen alten Alltag wieder aufnehmen, also (in geringerem Maße) selbständig arbeiten und Verabredungen wahrnehmen. Mein Sohn belehrte mich eines Besseren. Er war zwar kein Schreikind, aber oft unzufrieden. Langweilige Tage zuhause waren das Beste für ihn, wie ich irgendwann herausfand. Scherzhaft nannte ich ihn meine kleine elektronische Fußfessel.
Für mich selbst waren diese Monate tatsächlich wie ein Gefängnis. Ständig hinderte mich das Kind daran, etwas zu tun. So kam es mir damals zumindest vor. Mein Mann hingegen hatte den größten Spaß daran, mit dem Kleinen die immer gleichen Kinderbücher anzuschauen und auf jeder Seite den „Wauwau“ zu suchen. Wenn ich das selbst auch einmal probierte, dann stets nur widerwillig und sehr angestrengt. Permanent  fragte ich mich innerlich: „Und dafür hast Du studiert?“
Ich begann dann sechs Wochen vor Ablauf der Elternzeit wieder zu arbeiten, was mir einen mittelschweren Papierkrieg und eine saftige Rückzahlung an das Amt für Familie und Soziales einbrachte. Aber das war mir egal.
Mein Mann arbeitete zur dieser Zeit flexibel in der Selbständigkeit und verbrachte dadurch sehr viel Zeit mit unserem Sohn. Die beiden haben auch heute ein wunderbar inniges Verhältnis.

Die zweite Elternzeit wollte ich gar nicht antreten

Als wir unser zweites Kind erwarteten, war ich radikal und fest entschlossen: „Ich bleibe nie wieder zwölf Monate daheim!“. Die Vorstellung war für mich schrecklich. Der Plan war also folgender: Mein Mann und ich nehmen das Elterngeld Plus in Anspruch. Beide reduzieren Stunden im Job. Eine Fremdbetreuung wäre dadurch nicht nötig gewesen. Unsere Arbeitgeber hatten bereits eingewilligt und wir freuten uns sehr auf diese 18 Monate.
Doch Pustekuchen. Die Elterngeldstelle haute mir unseren Antrag um die Ohren. Wir hatten nicht bedacht, dass mein Mann früher selbständig war. Die Berechnungsgrundlage war falsch. Mit dem uns tatsächlich zustehenden Elterngeld würden wir nicht auskommen. Kommando zurück. Der Arbeitgeber meines Mannes freute sich, ihn nun doch 40 Stunden vor Ort zu haben.
Die Tagesmutter unseres Sohnes bot uns an, unsere Tochter aufzunehmen, sobald unser Sohn in den Kindergarten wechselt. Zunächst waren wir skeptisch, weil sie dann erst 5,5 Monate alt sein würde. Aber wir hatten sehr gute Erfahrungen mit dieser Tagesmutter gemacht und vertrauten ihr in dieser Hinsicht. Außerdem kamen wir uns wahnsinnig schlau vor, das Thema Kinderbetreuung damit quasi erledigt zu haben. Denn auch den Kindergartenplatz hätte unsere Zweitgeborene als Geschwisterkind sicher.

Kinder sind nicht planbar

Nachdem ich nun also meine Rückkehr ins Büro zähneknirschend von Lebenswoche 9 auf Lebensmonat 6 verschoben hatte, freute ich mich über einen tollen Sommer mit den Kindern. Wir unternahmen viel und genossen unseren kleinen Garten.
Endlich begann die Eingewöhnung meines Sohnes in den Kindergarten. Unmittelbar darauf folgte die Eingewöhnung meiner Tochter bei der Tagesmutter. Ich verbrachte zweieinhalb Wochen damit, auf winzigen Stühlen zu sitzen oder auf Gängen auf und ab zu tigern. Es fühlte sich wie verlorene Zeit an.
Endlich waren beide Kinder „verräumt“ und ich kam mit wehenden Fahnen an meinen Arbeitsplatz zurück. Ich telefonierte alle Kunden ab und meldete mich zurück. Die Arbeit stapelte sich bereits auf meinem Schreibtisch war wieder in meinem Element und glücklich. Wie herrlich, mit meinem Mann abends über Kunden zu lästern, anstatt nur die Konsistenz von Babykacke zu erörtern…
Ich wollte die Probleme nicht wirklich wahrhaben. Jeden Tag, den ich im Büro verbrachte, rief mich die Tagesmutter an. Ich müsse kommen, das Baby sei unglücklich. Ich entschuldigte mich also bei meinem Chef und holte das Kind ab. Die Tagesmutter berichtete mir von schrecklichen Heulattacken und großen Dramen. Stets nahm ich ein lachendes Kind in Empfang, das fast sofort in meinen Armen einschlief.
Pädagogen und Kinderpsychiater hören an dieser Beschreibung sicher schon heraus, was im Rückblick auch für mich klar ist: Es war einfach noch zu früh für die kleine Maus, eine Trennung von mehreren Stunden zu verkraften. Damals erkannte ich das nicht. Doch heute bin ich froh, dass die Tagesmutter die Reißleine gezogen hat. Nach zahlreichen Telefonaten und Rücksprachen mit den Sozialpädagogen der Agentur für Kindertagespflege wurde der Betreuungsvertrag für meine Tochter gekündigt.

Peinlich, diese unzuverlässigen Eltern

Ich kann Euch sagen, das Gespräch mit meinem Chef war ein echter Tiefpunkt in meinem Leben. Ich musste meine Arbeit also zum wiederholten Male abbrechen bzw. verschieben. Ich kam mir so dumm vor! Alle hatten mir gesagt, dass das Baby noch zu klein sei. Allen hatte ich geantwortet, dass wir der Tagesmutter vertrauten und dass das schon werden würde.
Ich befand mich also plötzlich wieder in diesem Mama-Gefängnis. Diese wenigen Wochen im Büro hatten mich so euphorisiert, dass sich die Tage zuhause nun wie ein schlimmer Kater anfühlten. Ich war unglücklich und hatte schlechte Laune.

Wie geht es nun weiter?

Ich kann gar nicht mehr genau sagen, wie die schlechte Laune dann verschwunden ist. Es war einfach so. Einen Auslöser oder eine Begebenheit kann ich rückblickend nicht erkennen. Ich bleibe nun also weitere sechs Monate mit meiner kleinen Maus daheim und es ist in Ordnung so. Ich habe mich im Kindergarten als Vorlese-Mama angemeldet (das geht auch mit Baby) und werde vermehrt Bloggen und Rezensionen verfassen. Irgendwie geht der Tag schon rum. Ein paar Projekte im Haushalt gibt es auch. Und die Steuer und, und, und… Ich habe mir fest vorgenommen, vor allem meinen Kopf zu beschäftigen, damit ich nicht wieder diese unerträgliche innere Leere bekomme.
Dazu kommt, dass ich im Büro ein großes Projekt angestoßen habe, das meine Kollegen nun in meiner Abwesenheit bearbeiten. Ich freue mich wirklich darauf, die Ergebnisse zu sehen. Und die würden auch in meiner Anwesenheit nicht schneller erreicht werden. So gesehen, haben wir meine Arbeit ganz gut an diese zweite Zwangspause angepasst.

Was noch zu sagen wäre…

Ich persönlich habe nicht das Bedürfnis den nun folgenden Absatz zu schreiben. Aber ich möchte sicher gehen, dass ich hier richtig verstanden werde.
Ja, ich liebe meine Kinder und ich werde zur Löwin, wenn den beiden irgendwas Schlimmes passiert. Indem ich mich für die Familiengründung entschieden habe, habe ich mich auch dafür entschieden eigene Bedürfnisse zurückzustellen. Für mich gibt es aber einen klaren Unterschied zwischen dem Zurückstellen eigener Bedürfnisse und der völligen Selbstaufgabe.
Ich persönlich möchte gerne arbeiten. Dafür gibt es finanzielle Gründe, aber eben auch persönliche. Ich brauche den professionellen Kontakt mit anderen Erwachsenen. Hätte ich den nicht, wäre ich unglücklich. Und ich kann keine unglückliche Person und gleichzeitig eine gute Mutter sein.
Ich möchte ein Vorbild für meine Kinder sein. Und ich möchte ihnen vermitteln, dass Erwerbstätigkeit etwas Schönes ist, aus dem eine tiefe, innere Befriedigung kommen kann.
Dieser Weg passt für mich persönlich am besten. Aber mir ist es ganz wichtig zu betonen, dass das mein individueller Weg ist. Andere Frauen sehen das anders. Und ich hoffe für diese Frauen, dass sie die Wahl haben, sich so zu entscheiden, wie es für sie am besten passt. Manchmal werden diese Wahlmöglichkeiten durch Geldprobleme eingeschränkt. Manchmal durch die Bedürfnisse der Kinder. Doch was auch immer passiert: Ich denke, jede Frau sollte eine Vorstellung davon haben, was ihr selbst gut tut und dafür kämpfen.

Lisa bloggt im Team mit anderen Eltern auf HausHofKind. Ihre Kolumne, Berichte aus dem Familienleben und ihre zahlreichen Rezensionen findet ihr hier.
http://www.haushofkind.de/category/lisa-bloggt/

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2 Antworten

  1. Anonym sagt:

    Tja, für uns kam es auch anders als geplant. Aber auch wir haben gelernt es ist in Ordnung so, denn das Leben schreibt halt oft seine eigenen Zeilen. Bin froh zu lesen das die Mamazeit jetzt auch für Dich passt.
    Dein Chef

  2. Sehr gut geschrieben, und genauso sehe ich es auch. Aus den geplanten 3 Jahren wurden damals 2 Jahre, denn ich wollte und musste aus finanziellen Gründen wieder arbeiten gehen, in einem Job, in dem man auch mal 5 Tage weg sein kann. Als Flugbegleiterin! Und seit 6 Jahren bin ich sogar alleinerziehend, was natürlich nie so geplant war. Aber es funktioniert mit einem guten Netzwerk. Meine Tochter ist inzwischen 12 Jahre und ich fliege Teilzeit und bin 21 Tage im Monat für sie da. Selbst wenn ich nicht arbeiten gehen müsste, ich liebe meinen Job und würde ihn niemals aufgeben. Alles Liebe! Sandra

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