Loben in Zeiten des Elternseins
„Von einem guten Kompliment“, so sagt Mark Twain, „kann ich zwei Monate leben.“ Es ist eines meiner Lieblingszitate, weil es schön und wahr ist, und auch, weil ich finde, dass in der heutigen Zeit zuwenig gelobt wird. Dabei geht es mir nicht darum, dass ich sinnlos Dinge über den grünen Klee lobe, die gar nicht toll sind, aber ich finde schon, dass auch kleine Komplimente einem manchmal den Tag retten können. Und deswegen lasse ich Menschen, deren Lächeln oder Jacke oder Parfüm mir gefallen genau das wissen. Es kostet mich doch nichts, diese kleine Aufmerksamkeit und ich weiß, dass es meinem Gegenüber den Tag verschönert.
Komplimente verteilen und bekommen
Nun bin ich natürlich nicht nur gern diejenige, die Komplimente verteilt, nein, wie vermutlich jeder Mensch bekomme ich sie auch gern. Ich suche sie nicht, und nicht jedes ist mir natürlich gleich wichtig – die hunderste Erwähung meiner „originellen Haare“ lässt mich doch etwas ratlos zurück, aber es gibt Dinge, die mein Herz für sehr sehr lange Zeit erwärmen.
Neulich war einer dieser Tage, die ganz besonders aufreibend waren. Das Runzelfüßchen war krank, sie hatte sich in der Nacht viermal übergeben, was viermal Bettenwechseln, Kind umziehen und Schlafmangel nach sich zog. Ich hatte eigentlich Termine, war total gerädert, meine Tochter verständlicherweise übellaunig und dann hatten wir auch noch einen Kinderarzttermin.
Kind sucht Kleidung aus
Beste Voraussetzungen also für einen Tag, der so richtig gründlich in die Hose gehen würde. Aber, wie so oft, kam es anders als gedacht. Um meine Stimmung zu heben hatte ich das Runzelfüßchen entscheiden lassen was wir beide heute tragen würden. Sie entschied sich für zwei Kleider, eines für sie, rotgringelt, und eines für mich, in blau. Ich hatte es auf einem Secondhandladen in Stockholm, der Mann findet es eher unschön, es ist so ein 50er Jahre Kleid. Ich liebe es und war mit dem Tagesbeginn schon versöhnt, denn hey, das Runzelfüßchen sorgte dafür, dass ich ziemlich gut gekleidet das Haus verlassen würde.
Erklärungen für ein Kleinkind
Wir machten uns also auf den Weg zur Kinderärztin. Dort angekommen zog ich erst das Kind, dann mich aus. Sie entdeckte die im Wartezimer befindliche Rutsche und wollte natürlich dort spielen. Wie alle Kinder rmusste das Runzelfüßchen dafür die Schuhe ausziehen. Darauf hatte sie keine Lust. Ich weiß aber, dass sie das sehr gut kann, Schuhe ausziehen und meinte daher, dass sie das selber machen kann. Sie verneinte, ich wiederholte. Dieser Dialog zog sich eine kleine Weile, wir beide waren davon nicht genervt, es war viel mehr ein Spiel. Die Sprechstundenhilfe sah mich erstaunt an und meinte „Reden Sie immer so mit Ihrer Tochter?“ Ich sah sie irritiert an, und so führte sie aus, wie schön sie das finden würde, dass wir zwei so normal miteinander sprechen.
Eltern beim Kinderarzt
Ich war, zugegeben, leicht verwundert. Aber nur kurz, denn dann hörte ich, wie andere Eltern dort mit ihren Kindern sprachen. Von „ich habe dir schon hundertmal gesagt…“ über „ich zähle jetzt bis drei und dann…“ bis bin zu „Dann geh ich eben ohne dich“ war eigentlich alles dabei. Vielleicht ist das Klientel in Wartezimmern von Kinderärzten aber auch noch mal einen eigenen Blogpost wert. Heute soll es ja ums Loben gehen.
Kind hat Angst beim Kinderarzt
Irgendwann wurden wir aufgerufen und das Drama nahm seinen Lauf. Bis dahin fand das Runzelfüßchen die Unternehmung „Kinderarzt“ ja ganz spaßig, aber als sie das Zimmer betrat, wurde das kurz anders. Da aber außer uns niemand drin war, machte sie sich schnell auf die Suche nach neuem Spielzeug. Sie fand es, rief „Mama, gucke mal“ und war zufrieden. Bis, ja bis die Assistentin der Ärztin eintraf. Das Kind erblickte sie und fing an zu weinen. Da es um eine U-Untersuchung ging, musste aber einige kleinere Tests durchgeführt werden. So richtig Lust hatte sie darauf nicht. Aber sie ließ sich sowohl vom Puzzle als auch von einer, sagen wir mal Sehtestkarte ablenken. Diese Karte, auf der ich im Übrigens NICHTS erkennen konnte, hat sie ziemlich fasziniert. Sie zeigte auf die grau/weiß/schwarze Fläche und rief immer „da, da, da“. Ich nickte zustimmend, ohne zu wissen was das Kind da Geheimnisvolles sah.
Kompliment von der Kinderärztin
Dann kam die Ärztin und alles war dahin. Sie schaute das Kind und mich an und sagte als Erstes: „Sie haben aber tolle Kleider an. Sie sehen Beide richtig hübsch aus, sehr schön.“
Dem Runzelfüßchen war das total egal. Sie schrie und weinte, klammerte sich an mich und wollte nur weg, weg, weg. Ich redete beruhigend auf sie ein, aber mehr als einmal Abhören war nicht drin. Ich bezweifel, dass die Ärztin da irgendwas gehört hat. Das Kind kämpfte, schrie ohrenbetäubend und die Ärztin verließ das Zimmer, weil sie meine Tochter nicht weiter aufregen wollte. Das Runzelfüßchen wurde ganz ruhig, sah mich mit Tränchen in den Augen an und sagte „Mama, losgehen“. Klar, Kind, machen wir. Die Assistentin kam zu uns, sah mich an und meinte aus dem Nichts heraus: „Ich finde es bewundernswert, wie ruhig Sie in dieser Stresssituation bleiben. Ihre Tochter kann sich sehr glücklich schätzen. Sie sind eine tolle Mama.“
Lobt mehr!
Ich war sprachlos. Zunächst, weil mich diese Aussage so aus dem Nichts erwischt. Und weil ich es normal fand, meinem Kind, wenn es weint und Angst hat über den Rücken zu streicheln und ihr zu versichern, dass ich für sie da bin. Klar, mir brach der Schweiß aus, bei diesem Geschrei. Das scheint bei mir irgendwie verkettet zu sein.
Nach einigen Tagen Nachdenken, freute ich mich fast noch mehr über das Lob. Weil es einfach so gesagt wurde. Nicht um mich aufzumuntert, nicht mit Hintergedanken sondern einfach so vom Herzen. Weil sie etwas beobachtet hat und mir ihre Gedanken mitteilen wollte.
Deswegen, lobt was das Zeug hält. Für euch ist es ein kleiner, netter Satz, aber bei eurem Gegenüber kann das wirklich noch Wochen später nachhallen.
Welches Lob der letzten Tage hat euch strahlen lassen?