Papa bloggt: Politik und Kinder

Am Sonntag war es so weit: Um 18 Uhr schauten vier Erwachsene, wir hatten Freunde zu Besuch, wie gebannt auf das Smartphone mit Livestreaming – Hochrechnungen zur Bundestagswahl wurden präsentiert. Wir hätten auch den Fernseher anmachen können, aber vielleicht sollte man seine Kinder noch ein wenig von der Politik abschirmen und Herr Annika ist definitiv zu jung für Fernsehen. Es war schon schwierig genug, eine Wahlkabine zu besuchen, ohne dass beide Kinder zu viel Unordnung machten. Den ganzen Irrsinn einer Dreijähirgen zu erklären, ist auch nicht einfach.

Wählen ist eine erste Sache

Vielleicht hätten wir einfach Briefwahl machen sollen. Einerseits wäre der Wahlakt einfacher geworden. Andererseits konnte man sich die Entscheidung bis zum Schluss offen halten, um dann doch das zu wählen, was man auch vor vier Wochen hätte wählen können. Auf jeden Fall waren wir mit Kindern im Wahllokal. Wahllokal klingt so gemütlich, dabei ging es da eher zugig zu wie am Bahnhof. Viele Menschen, einige auch mit Kindern, standen in Schlangen an. Aber plötzlich ging es alles ganz schnell und ich hatte meine Unterlagen schon in der Hand. Leider hatte ich mich nicht richtig informiert: so lange ein Kind nicht lesen kann, darf es mit in die Wahlkabine kommen. So mussten Herr Annika und meine Tochter leider trotzdem jeweils bei einem Elternteil bleiben, bis der andere gewählt hatte. Das gefiel meiner Tochter überhaupt nicht – sie beschwerte sich und wäre gerne dabei gewesen, wie wir da unseren geheimen Dingen nachgingen. Wenn sie gesehen hätte, wie wir ganz lapidar Kreuze gemacht haben, hätte sie nur den Kopf geschüttelt. Und dafür standen die ganzen Menschen an?

Was machen die da eigentlich?

Das Runzelfüßchen wollte natürlich wissen, was wir da gemacht haben. Ich fing an zu erklären: „die Menschen, wählen, äh, bestimmen Personen, die Gesetze, äh, nein, Regeln…“ und schon hatte das Runzelfüßchen ihr Interesse verloren. Ich konnte es ihr auch nicht verdenken. Wenn selbst manche Erwachsene nicht verstehen, wen oder was sie dort wählen, wie soll ich das meiner Tochter erklären? Wichtiger war es, dass meine Frau noch Seifenblasen dabei hatte. Herr Annika und das Runzelfüßchen rannten durch die Pfützen, lachend und feixend. Zu dem Zeitpunkt war mir auch noch zum Lachen zu Mute.

Alles zu kompliziert

Vielleicht warte ich noch ein wenig damit, meiner Tochter Politik zu erklären. Allein schon zu erklären, was Gesetze sind, würde zu weit führen: Gemeinsame Regeln des Zusammenlebens, sozialer Ausgleich, Solidargemeinschaft, das Grundgesetz – irgendwie denkt man, man sollte das nochmal sehr vielen anderen Menschen erläutern und nicht meiner Tochter. Zum Glück wohnen wir nicht in der Einflugschneise vom Flughafen Tegel und ich hätte ihr noch erklären müssen, wieso andere Menschen, die nicht in der Nähe des Flughafens wohnen, darüber abstimmen dürfen, ob über anderen die Flugzeuge dröhnen.

Bitte nicht fluchen

Wir schauten uns also zusammen die Hochrechnungen an. Manchmal denke ich, Kinder verschieben die Prioritäten auf das, was wirklich wichtig ist und wir wäre das alles weniger wichtig als vor vier Jahren. Damals hatten wir noch keine Kinder und ich hatte wesentlich mehr Zeit, mich mit Politik zu beschäftigen. Aber irgendwie sind Wahlen ja auch wichtig: wie Menschen leben wollen, welche Werte sie unterstützen und welche Politik sie haben möchten. Als wir dann das Wahlergebnis hörten, wollte ich am liebsten ganz schlimm fluchen, darüber reden, mich wundern und aufregen. Aber weil Kinder da waren, habe ich mich zusammengerissen.  Meine Tochter und mein Sohn hätten davon nur Angst bekommen und ich hätte ihnen erklären müssen, was mich so aufregt. Es war tatsächlich so, dass es hier einen kleinen Aufschrei gab, was beide Kinder sehr verunsicherte.

Was kann man schon machen?

Natürlich könnte ich mich jetzt noch tagelang darüber aufregen, wer da demnächst im Bundestag sitzt. Viele beschweren sich in den sozialen Medien und ich könnte das wahrscheinlich auch so machen, aber wen würde ich da erreichen? Meine Freunde, die eh ähnlich denken. Und irgendwie bringen mich negative Gefühle nicht weiter. Solange ich mich nicht selber irgendwo politisch engagiere oder wenigestens zu einer Demo gehe, kann ich nur meinen Ärger teilen und mich aufregen. Lieber versuche ich meine Kinder tolerant zu erziehen, oder schreibe auf diesem Blog über Elternthemen, die mich bewegen und mit denen ich jemanden erreiche. Es könnte vielleicht mehr sein, aber im Moment ist nicht aufregen auch schon eine Leistung.

Wie habt ihr die Wahl mit Kindern wahrgenommen? Und wie geht ihr mit dem Ergebnis um?

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2 Antworten

  1. Anonym sagt:

    Meine 3jährige stand diskutierend im Wahllokal, weil sie auch gern wählen wollte!
    Habe ihr auch nur erklärt, dass wir die Leute auswählen, die in der nächsten Zeit die Regeln bestimmen. Und habe ihr die Menschen auf den Wahlplakaten gezeigt.

  2. Alexander sagt:

    Hallo,

    heute morgen unterhielt sich in der Bahn eine Mutter mit ihrem 3-jährigen Sohn. Er wußte genau, wer da auf dem Wahltplakat, was er beim vorbeifahren sehen konnte, "Martin Schulz" war. Ich finde immer erstaunlich, wie viel kleine Kinder mitbekommen.

    Viele Grüße
    Alex

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