Max Schimmelpfennig im Interview: „Wir haben viel in der Hand, um es anders zu machen“
Viele von uns wissen: New Adult ist ein Thema im Buchmarkt. Da ist es ja nur folgerichtig, wenn es jetzt auch eine Serie dazu gibt. Und nein, die ist nicht nur für Menschen ab 16, die könnte ihr selbstverständlich auch mit Mitte 40 oder 50 gucken. Denn wer schreibt uns denn vor, was wir zu mögen haben? Kann ja durchaus auch helfen, sich mal mit Themen zu beschäftigen, die in der eigenen Lebenswirklichkeit keine Rolle (mehr) spielen. Und wenn wir ganz ehrlich sind: Wohl die wenigsten von uns haben je Kontakt mit einer Mixed-Martial-Arts- Kämpferin, einem Bodyguard oder einem Millionenerben gehabt. Um genau diese Konstellation und viele unterschiedlichen Gefühle dreht sich die neue Love & Crime- Serie „Crystal Wall“ aber.

In „Crystal Wall“ spielt Max Schimmelpfennig den Journalisten Fabian, der der schwerreichen Familie Dardenne unbedingt näher kommen will. Schon in Folge 1 wird klar, dass da jemand sich nicht ganz so gut auskennt, wie er es vorgibt. Mehr kann ich an der Stelle nicht spoilern, ihr müsst euch die Serie natürlich anschauen um hinter das Geheimnis von Max´Figur zu kommen. Aber ich verspreche, es lohnt sich. Und bevor ihr jetzt zur ZDF Mediathek rüberklickt, verpasst nicht das Interview mit Max Schimmelpfennig, bei dem wir nicht nur über seine Rolle, sondern auch übers Reisen, Vorherbestimmung und Stress am Set gesprochen haben.

Max, bist du schon mal auf eine Crystal Wall gestoßen?
Max Schimmelpfennig: Oh wow, direkt ein deeper Start. [Er lacht] Ich bin in Berlin groß geworden, in einer Stadt, in der sehr viele verschiedene Menschen aufeinandertreffen. Ich bin jetzt seit 28 Jahren hier und merke schon, dass das immer mehr wird. Es gibt eine zunehmende Spaltung zwischen der Kunstecke, Investorinnen und Menschen, denen es wirklich schlecht geht.
Diese Spaltung wird immer größer und fällt auf. Inzwischen kann man keine zwei Stationen mehr mit der U-Bahn fahren, ohne dass jemand einsteigt, dem es offensichtlich nicht gut geht. Du kennst das doch bestimmt auch: Dieses kollektive Weggucken, dieses kollektive Unwohlsein, das dann entsteht. Es braucht immer eine Person, die das durchbricht. Es kostet Überwindung, in dem Moment mit den Leuten zu sprechen.
Das gilt auch für andere Situationen, zum Beispiel bei Straßenmusikerinnen. Mal stehen zu bleiben und wertzuschätzen, was sie machen. Da versuche ich, Aufmerksamkeit zu geben und gute Laune in den Tag zu bringen.
Ich finde es wichtig, sich dieses Unwohlsein bei sich selbst bewusst zu machen. Viele gehen da direkt drüber hinweg. Aber wenn alle so denken, geht uns viel Menschlichkeit verloren, oder nicht?
Ja, auf jeden Fall. Zumal es ja gerade wieder salonfähig wird, nach unten zu treten. Das darf man im Alltag nicht befördern.
Am Anfang von „Crystal Wall“ heißt es sinngemäß: Wir sind entweder alle frei oder alles, was wir tun, ist vorherbestimmt. In welche Richtung tendierst du? Glaubst du, wir sind frei in unseren Entscheidungen oder ist vieles in unserem Leben vorherbestimmt?
Das wechselt. Eine gute Freundin von mir hat vor Castings immer zu mir gesagt: „Schick den Wunsch raus ins Universum!“ Ich habe das ausprobiert, aber es hat nie so richtig funktioniert. Sie meinte, es läge daran, dass ich nicht richtig daran geglaubt habe. Aber was soll ich machen? [Er lacht]
Es gibt Momente, in denen ich denke: Wow, ja, das sollte genau so sein. Deswegen glaube ich mittlerweile, dass es viel mit Energie zu tun hat. Die Energie, die man aussendet, kehrt irgendwann zurück.
Es fühlt sich gerade vieles in der Welt ziemlich random an. Aber das ist irgendwie auch ermutigend, weil man dann das Gefühl bekommt, dass nichts in Stein gemeißelt ist. Es muss nicht alles so bleiben, wie es ist. Wir können Dinge verändern.
Das ist der entscheidende Gedanke: Dass Menschen verstehen, dass sie Dinge verändern können. Wir müssen nicht in Unmündigkeit verharren.
Ich glaube auch stark an den Nocebo-Effekt. Sagt dir das was? Die meisten kennen den Placebo-Effekt, der meist mit positiven Dingen zu tun hat. Der Nocebo-Effekt hat eher mit negativen Dingen zu tun.
Ein Beispiel: Jemand sagt voraus, dass eine bestimmte Aktie fallen wird. Wenn genug Leute das glauben, wird sie auch fallen. Denn man hat sich selbst aktiv daran beteiligt. Ich glaube, das passiert oft im Alltag. Menschen suchen negative Bestätigung, weil es ihnen Kraft gibt, zu sagen: „Siehst du, alles ist scheiße!“ Dabei hat man viel in der Hand, um es anders zu machen.
Aber es ist ja oft bequemer, sich zu beschweren, statt den eigenen Anteil zu hinterfragen.
Absolut! Deswegen lass uns das anders machen. Lass uns dort, wo es geht, nicht meckern, sondern Dinge anpacken und verändern.
Hilfreich ist dabei der Kontakt zu anderen Menschen, weil wir den Austausch brauchen. Dein Fabian in „Crystal Wall“ hat in den Folgen, die ich gesehen habe, eher eine Stalkermentalität, die ich creepy finde. Was magst du an deiner Figur?
Es gibt bei Charakteren in Filmen und im echte Leben meiner Meinung nach zwei Layer. Auf der einen Seite verbirgt Fabian etwas. Ich spoilere nicht, wenn ich sage, dass er etwas behauptet, aber eigentlich ein anderes Ziel verfolgt. Auf der anderen Seite ist er sehr ehrlich. Er verstellt sich nicht und ist sehr im Moment. Man hat das Gefühl, das, was er da macht, auch wenn es vielleicht manipulativ ist, ist trotzdem so gerade heraus, dass man es ihm am Ende fast gar nicht übel nehmen kann.
Ich mochte das, auch weil er einen gewissen Humor hat. Er gerät immer wieder in Situationen, bei denen man denkt: „Junge, geh doch jetzt mal!“ Aber er bleibt dran und muss sich rauswinden.
Meine Kollegin Philine Schmölzer verkörpert fast das Gegenteil. Sie ist super straight, teilweise emotional abgekapselt. Diese Kombination hat viel Spaß in der Umsetzung gemacht.
Ihr beide braucht euch, um die Weltsicht des anderen zu erweitern. Sonst würde vermutlich kaum jemand mit der Figur Ylva, die Philine spielt, mitgehen.
Das fand ich auch. Wir haben versucht, die Szenen der Beiden so awkward wie möglich zu machen. An dieser Stelle muss ich ein großes Kompliment an Tarek [Roehlinger, Regisseur der Folgen 1-12] und Greta [Benkelmann, Regisseurin der Folgen 13-24] aussprechen. Ich habe mehr mit Tarek gearbeitet, aber beide ticken ähnlich.
Tarek hat uns viel ausprobieren lassen. In der ersten Folge erzähle ich in einer Szene was von Fischen und Luft. Der Take war eigentlich vorbei, ich habe nur noch Müll geredet. Es blieb drin, weil Tarek das gefeiert hat. Er verdient viel Credit dafür.
Solche Szenen sind in kurzer Zeit superstressig zu drehen. Es war ein Nachtdreh mit vielen Komparsen und Kolleginnen die warten, weil sie gerade nicht im Bild sind. Der Stress war enorm, und trotzdem hatten wir Raum zum Ausprobieren. Das ist cool.
Dein Fabian ist ein Society-Reporter. Hat sich durch die Beschäftigung mit der Rolle dein Blick auf Journalistinnen verändert? Es gibt da natürlich schon Unterschiede zwischen Journalismus und Societyberichterstattung, aber so im Ganzen, hat sich da was getan?
Nö. Ich hatte immer das Gefühl, es ist ein harter und undankbarer Job, weil er nicht wirklich likeable ist. Du musst dich als Journalist häufig in ganz merkwürdige Situationen begeben, schleichst in einem Hotel rum, weil du ahnst, dass da was sein könnte, in der Hoffnung, du bekommst als erster ein Foto.
Wenn man dann an Hollywood denkt, an diese Paparazzivideos, da will man den Leuten doch einfach nur sagen: Haut doch mal ab, sucht euch nen richtigen Job und hört auf, diese Leuten zu nerven.
Das ist ein Job, der nicht gerade zum Hausieren da ist. Da konnte ich mich insofern reinversetzen, weil man ja eigentlich schon merkt, dass Fabian da nicht für gemacht ist. Ich spoilere da nichts, wenn ich sage, dass man schon in Folge 1 merkt, dass er nicht so richtig das Zeug dazu hat. [Er lacht.]
Es gibt in der Serie eine Szene, in der die Bodyguards dehydrierte Gurke und Madenkäse essen. Was ist das Verrückteste, was du je gegessen hast?
Als ich es in Griechenland bestellt habe, wurde mir gesagt, dass es Seeigeleier sind. Ich habe es dann gegoogelt und gemerkt, dass es das gar nicht als Gericht gibt. Es war ultrateuer, aber ich weiß am Ende nicht, was ich da gegessen habe. Leider hat es auch noch mega eklig geschmeckt, so nach altem Fisch, und hat im Mund so rumgeglibbert.
Ich habe das nur gegessen, weil es so teuer war und ich dachte: Ok, das ist eine Delikatesse, da muss ich mich halt drauf einlassen. Es war am Ende also mega teuer und mega eklig. Loose – loose.
Aber da ist mir aufgefallen, dass bestimmte Luxusgüter sich nicht dadurch auszeichnen, dass sie besonderen Luxus bieten, sondern dadurch, dass sie einfach nur teuer sind. Es war einfach nur widerlich.
Ich habe mal in Südkorea gearbeitet, da habe ich auch etwas Widerliches gesehen, neben der Tatsache, dass dort ja auch Hunde eine Delikatesse sind. Da wurde lebender Oktopus verkauft, der dann halt so gegessen wird.
Ekelhaft. Ich habe das auch mal gesehen. Kennst du den Film „The Octopus Teacher“ auf Netflix? Die Tiere sind so superintelligent.
Na gut, aber dann sind wir ja bei der Frage: Darf man Tiere essen, wenn sie weniger schlau sind?
Nein, absolut nicht. Aber so funktionieren wir Menschen eben. Wenn wir wissen, dass Tiere wie Hunde, Delfine oder Oktopusse so intelligent sind und uns damit näher, dann haben wir da eher ein Problem mit.
Bist du Vegetarier?
Nein. Aber ich esse wirklich sehr wenig Fleisch, ich habe das auch nie zu Hause. Ich koche immer vegetarisch oder vegan. Mir bekommt das einfach besser. Wenn ich mal Fleisch esse, dann achte ich auf jeden Fall darauf, dass es sehr, sehr gutes ist. Ich kaufe es dann entweder vom Land oder aus dem Biomarkt, wo ich genau weiß, wo es herkommt. Aber das ist sehr selten.
Es gibt so Momente wie den in Griechenland, wo ich dann auch weiß, dass das, was ich esse, jetzt nicht irgendwo aus dem Pazifik oder aus irgendwelchen Schutzgebieten gefischt wurde. Das kommt direkt vor der Küste, von dort, wo ich die Dinger sehen kann.
Wo wir schon von Griechenland sprechen, gibt es einen Ort, an den du gern noch mal reisen würdest?
Volos ist eine Stadt, die ich sehr mag, weil sie so süß gebaut ist. Sie ist ein bisschen schäbig, aber hat ganz viele kleine Gassen und in einer davon gibt es eine Tsipouradika. Tsipouro ist der Ouzo hier und den kann man mit oder ohne Anis trinken. Da wird gern so getan, als sei das ein Erfrischungsgetränk, aber am Ende ist das Schnaps.
Das Essen in dieser Tsipouradika ist fantastisch, aber du kannst dort nur essen und kommst überhaupt nur da rein, wenn du Tsipouro trinkst. Das heißt, wir waren in der prallen Sonne um 1 Uhr mittags da und hatten einen lustigen Tag. [Er lacht.]
Lustige Tage sind immer gut, weil sie auch lange Zeit danach motivieren können. Was motiviert dich denn in deiner Arbeit?
Ehrlich gesagt ist es immer wieder das Grenzen-Austesten im positiven Sinn. Ich komme ja von der Bühne und vermisse das auch. Wenn du Theater spielst, auf der Bühne stehst, dann gibt es immer wieder den Moment von „Oh wow, ich weiß gerade nicht weiter, ich kann jetzt überhaupt nichts dagegen machen.“ Es ist live und ich muss mir jetzt etwas einfallen lassen. Das schärft den Geist und das möchte ich mir auch vor der Kamera beibehalten.
Ich habe beim Drehen häufig Stress mit Continuity. Das ist die Person, die dann zu mir kommt und mir sagt: „Ey Max, beim letzten Take hattest du die Bierflasche in der rechten Hand und jetzt mit dem Fuß, das geht nicht. Du musst das jetzt bitte wieder mit der rechten Hand machen.“ Da lege ich mir häufig leider selbst ein Ei, weil ich so viele Dinge in einem Take mache, dass die Wiederholbarkeit dann darunter leidet.
Aber ich liebe das einfach, weil ich nicht das Gefühl haben möchte, dass es stagniert. Ich will nicht das Gefühl haben, dass eine Szene nur auf eine bestimmte Art gemacht werden kann, sonst funktioniert sie nicht. Das ist im Leben auch nicht so. Deswegen hat mir die Arbeit bei „Crystal Wall“ so viel Spaß gemacht, weil ich da das Gefühl hatte: It doesn’t matter, komm, mach einfach, probiere rum!“ Das ist cool und da freue ich mich sehr.
Ab dem 10. April könnt ihr „Crystal Wall“ in der ZDF Mediathek gucken, ab dem 27. April auf ZDF neo. Etwas später, ab dem 29. Mai läuft „Crystal Wall“ dann auch im ZDF.