Köln 75: Wir brauchen mehr mutige Menschen
Der Kinofilm „Köln 75“ wird die Geschichte rund um eines der poulärste Livealben des 20. Jahrhunderts erzählt. Ich weiß nicht wer von euch „The Köln Concert“ von Keith Jarrett schon mal gehört hat, aber der Film beschäftigt sich mit diesem Album und Vera Brandes mutigem Weg dort hin.
Ich muss gestehen, dass ich das Album vorher nicht kannte. Und hätte ich es gekannt, ich hätte trotzdem nichts von der Entstehungsgeschichte gewusst. Denn wie oft informieren wir uns denn wirklich über Hintergründe von Albumaufnahmen? Klar, es handelt sich um ein Livealbum und auch der Titel verrät: Das wurde in Köln aufgenommen, aber das wars ja irgendwie auch. Davon abgesehen, kannte ich Keith Jarrett auch vor dem Kinofilm überhaupt nicht. Aber ist nicht genau das total großartig? Dass wir Filme anschauen und in vollkommen unbekannte Welten eintauchen können, die dann noch nicht mal reine Fiktion sind? Ich jedenfalls finde das beeindruckend.

Köln 75 – Wie eine 18-Jährige die Musikwelt veränderte
Und nicht nur die Tatsache, dass ich etwas Neues über Musik gelernt habe, hat mich für den Film eingenommen, vor allem auch die Tatsache, dass ich erfahren habe, wie es überhaupt zu diesen Aufnahmen kam, verleiht dem Film eine unglaubliche Dynamik. Dass es dieses bedeutende Album heutzutage gibt, haben wir alle einer 18-Jährigen zu verdanken. Vera Brandes, im Film mit ganz viel Lebensmut gespielt von Mala Emde, hat sich in den Kopf gesetzt, Musikmanagerin zu sein. Für diesen Traum riskiert sie alles, auch den Bruch mit ihrer Familie. Sie ist jung und durchsetzungsstark, selbstbewusst und mutig. Genau solche Vorbilder brauchen wir. Denn nur wenn wir sehen, dass auch andere sich mit ihren Träumen nicht aufhalten lassen, können wir selbst mutiger werden.
The Köln Concert – nach wie vor geliebt
Veras Traum ist es, den extrem begabten, verehrten und ebenfalls einem eigenen Traum folgenden Keith Jarrett zu einem Konzert in Köln zu überreden. Sie bucht ihn, verspricht ihm das Kölner Opernhaus und einen ganz bestimmten Flügel auf dem er das Konzert spielen kann. Bis kurz vor dem Auftritt droht immer wieder alles zu scheitern, es ist Vera zu verdanken, dass Keith am Ende auf der Bühne steht und das Konzert aufgenommen werden kann. Die Plattenveröffentlichung von „The Köln Concert“ wird mit über vier Miilionen verkauften Exemplaren das erfolgreichste Solo-Jazz-Release aller Zeiten.
„Köln 75“ taucht nicht nur tief in die Jazzmusik ein (wer sich, wie ich, eher wenig damit auskennt, bekommt einen charmanten Crashkurs, der wirklich sehr unterhaltsam ist) sondern lässt und hinter die Fassade gucken. Nicht alles daran mag sich genau so zugetragen haben, wie es im Film dargestellt wird, sicherlich gibt es da an der ein oder anderen Stelle vielleicht auch etwas künstlerische Freiheit. Aber das tut dem sehr guten Film ja keinen Abbruch. John Magaro spielt Keith Jarrett mit seinem Wunsch mit seiner Musik etwas komplett neues zu erschaffen, neue Pfade zu betreten und sich selbst und anderen etwas mitzugeben. Ich finde es bewundernswert, wenn Menschen sich so intensiv mit ihrem Tun auseinandersetzen können und dafür so viele Schmerzen in Kauf nehmen.
Köln 75: Was für ein Scheusal, was für ein Triumpf
Ulrich Tukur spielt Veras Vater so böse, dass ich wirklich überrascht war. Gute Schauspieler können und sollten uns vergessen machen, dass sie in Wirklichkeit (hoffentlich) ganz anders sind. Weil ich kurz vor Kurzem noch ein Interview mit ihm geführt habe in dem wir viel gelacht haben, war die Diskrepanz für mich aber besonders groß und ich dachte immer nur: „Was für ein Scheusal!“ Natürlich wünscht man Vera Brandes mehr Untersützung vom Vater (das Patriacht war in den 70er Jahren leider auch noch sehr viel klarer erkennbar), aber gleichzeitig spielt Mala Emde die Vera mit einer solchen Entschlossenheit, dass man irgendwie auch denkt: Du machst alles richtig. Du musst dich deinem Vater gegenüber nicht beweisen, aber doch ist der Erfolg dieses Albums natürlich der ultimative Triumpf.
Ich kann euch nur dringend raten, ins Kino zu gehen und euch auf „Köln 75“ einzulassen. Gerade dann, wenn ihr, wie ich, so wenig Berührungspunkte mit Jazz und der Geschichte rund um das Konzertalbum habt. Es lohnt sich, nicht nur wegen der tollen Musik, sondern vor allem wegen dem Eintauchen in eine andere Welt voller Mut und Leidenschaft und neuen Wegen. Wenn ihr in diesen Zeiten also Inspiration braucht, dann ab ins Kino zu „Köln 75“.