Gastpost: Nein heißt Nein

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Wie ihr wisst habe ich ja zur Blogparade zum Thema „Nein heißt Nein – aus Elternsicht“ aufgerufen. Und weil natürlich nicht alle einen Blog haben, habe ich angeboten auch Beiträge hier zu veröffentlichen. Ich freue mich daher sehr, euch heute einen Gastpost zu diesem Thema zu zeigen. Die Schreiberin möchte lieber anonym bleiben, was ich natürlich respektiere. Ich danke ihr aber ausdrücklich für ihre Offenheit und auch dafür, dass sie versucht das Unrecht was ihr widerfahren ist (und was mich traurig und sprachlos macht) bei ihrer Tochter gänzlich zu vermeiden.

Achtung: In dem Post kommt Gewalt gegen Kinder vor, also bitte überlegt vorher ob ihr das lesen wollt.

Hier kommt der Artikel:

Nein heißt nein.
Nein heißt nein.
Heißt nein wirklich nein?
Ist ein Nein bedingungslos zu akzeptieren?
Was, wenn es ignoriert wird?
Darf man ein nein ignorieren?
In welchen Momenten heißt nein wirklich nein und wann gibt man besser nach?
Und wie setzt man ein Nein durch?

Kindliches Nein ernst nehmen

Aktuell ist ‚Nein heißt nein‘ ein großes Thema. Und häufig wird hierbei grade beleuchtet, dass man als Erwachsene dazu tendiert, ein kindliches Nein nicht ernst zu nehmen.
Nein, ich möchte meine Jacke nicht anziehen.
Nein, ich möchte nichts essen.
Nein, ich möchte dir keinen Bussi geben.
Was lehrt es unsere Kleinen, wenn wir ihnen unseren Willen aufzwingen, auch wenn sie klar und deutlich Nein sagten?

Wieviel ist ein Nein wert?

Ich hab auf die harte Tour gelernt, was ein Nein bedeutet:
Meine Erziehung war sehr streng. Ich hätte es nie gewagt, irgendwie respektlos meinen Eltern gegenüber zu sein. Es gab viele, viele Regeln. Viele NEINs, unfassbar viele unsinnige Verbote. Während Eltern so gern sagen: Wenn du selbst Kinder hast, wirst du uns besser verstehen! hab ich bis heute für das meiste nur Unverständnis übrig. Aber was soll ich sagen? Man ist Kind. Überwältigt von elterlicher Übermacht. Papa arbeitet viel, Mama führt ein strenges Regiment. 

Je mehr Regeln, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass man sie bricht. Zwangsläufig. So viele NEINs, eine Mauer.

NEINNEINNEINNEINNEINNEINNEINNEINNEINNEINNEINNEINNEINNEINNEINNEINNEINNEINNEINNEINNEINNEINNEINNEINNEINNEINNEINNEINNEINNEINNEINNEINNEIN

Du tust was ich sage – ein schlimmer Erziehungsansatz

Du musst nicht verstehen warum, aber tu dies nicht, tu das nicht, das darfst du nicht.
Und wenn ichs doch tat? DA ist der Knackpunkt.
Ein ignoriertes Nein brachte immer Strafen mit sich.
Ich war noch ein kleines Kind, konnte Abends nicht einschlafen, spielte im Bett mit meinen Fingern und Füßen. Das sollte ich nicht. NEIN!
Ich tats trotzdem. Mama band mich mit den Händen am Bett fest. Damit ich endlich schlafe. Nein heißt nein.
Ich kam nur eine Minute zu spät vom Spielen heim. NEIN, das sollst du nicht! Hausarrest, Stubenarrest, je nach Laune. Nein heißt nein.
Standartstrafe, wenn ich Regeln brach oder mich kindlich über mir unverständliche Regeln aufregte: Einsperren ins winzige Badezimmer, Licht aus (Schalter war außen), Schlüssel rumdrehen. Denn nein heißt nein, zur Not lernst dus so! Sag Bescheid, wenn du endlich hören willst.
Umgekehrt wurden meine NEINs häufig nicht ernst genommen. Schließlich war ich nicht in der Machtstellung. Was heißt schon ein kindliches NEIN?
Pass mal lieber auf, dass ich dich nicht in den Keller sperre. Das ist viel schlimmer als das Bad, das war bei uns früher noch so.

Jahre später ist mir das (natürlich?) auch im sexuellen Sinne passiert. Ein Mann, mit dem ich eine Beziehung führte, akzeptierte mein NEIN oft nicht. Vielleicht wäre ich stärker gewesen, hätte mich wehren können. Er ignorierte mein NEIN und ich gab einfach auf. Okay, er ist mein Freund, er wird schon Recht haben.

Nein heißt nein aus Muttersicht

Und nun? Nun bin ich die Mutter. Habe die Machtposition.
Zwei Jahre ist sie nun alt, meine Prinzessin. Und schon lange ist mein Grundsatz ihr gegenüber: Ich benutze NEINs nur sparsam. Zuerst überlege ich, ob das jetzt nur mein Unwillen ist, frage mich, wem es schadet, was sie grade tut. Oder ob ich nur NEIN sage, weil man das so sagt?
Es gibt grundsätzliche Verbote, aber NIEMALS ohne sie meinem Kind gegenüber zu begründen, auch wenn sie erst zwei ist. Diese Verbote sollen sie und Andere vor Schaden bewahren. Und ich spüre: Sie versteht meine Gründe Tag für Tag besser und: Wenn ich dann mal NEIN sagen muss, dann nimmt sie das erstaunlich ernst (im Sinne eines Kleinkinds :-D) Sie weiß, nein heißt nein, aber sie weiß auch warum!

Offen sein für kindliche Neins

Und jetzt kommt dieses Thema, warum kindliche Verweigerung so übergangen wird. Und plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Tatsächlich übergehe ich ihre NEINS recht häufig. Warum denke ich nicht auch in ihrem Sinne über ihre Gründe nach? Warum setze ich mich so oft über ihren Willen hinweg? Wenn ich mir doch wünsche, dass sie im Gegenzug ganz friedlich auch auf mich hört? Und OBWOHL ich es von meiner Mutter nicht anders kenne und NIENIENIE so sein wollte. Ich bilde mir doch ein, sonst so emphatisch zu sein…

„Hallo! Wer spricht denn da?
Bist du’s Papa?
Bist du’s Mama?
Hallo? Wer spricht denn da?
Wie sonderbar, ob ich das war?
So wollt ich doch nie sein.
So wollt ich doch nie sein.
Das hatt ich mir doch felsenfest geschworen.“
(Rolf Zuckowski, So wollt ich doch nie sein)

Kein Zwang beim Essen

Ich bin recht offen, essen muss sie zum Beispiel natürlich nicht. Aber Windeln wechseln, raus gehen, Jacke anziehen, warum setze ich mich da über sie hinweg? Nagut, ein wunder Windelbereich ist nichts Feines, aber eine Stunde mehr oder weniger ist echt tragbar.
Inzwischen bin ich dank dieser aktuellen Debatte so weit, dass sie zum Beispiel auf Strümpfen raus geht, wenn sie sich standhaft weigert Schuhe anzuziehen (barfuß mag sie nicht ^^) Nagut, sie merkt selbst, dass spitze Steinchen oder nasse Strümpfe doof sind. Und wer nicht isst, bekommt irgendwann Hunger. Und wer nicht schmusen will, wird trotzdem geliebt. So einfach ist das.

Nein muss respektiert werden, immer

Auch ihr nein heißt nein. Und ich respektiere das, auch wenn ichs natürlich leider nicht immer berücksichtigen kann. Und wenn ich einen Moment länger hinsehe, verstehe ich oft auch, warum sie sich verweigert. Und eines Tages wird sie es mir sagen können, und wir können drüber sprechen.
Ich möchte, das sie lernt, dass ihre Meinung zählt, genau wie meine. Sie wird mich nur respektieren, wenn ich sie auch respektiere. Und ich bin mir sicher: So gut ich kann werde ich mir verkneifen zu sagen: Weil ich die Mama bin, deswegen!!! sondern ich werde immer versuchen, mich zu erklären. Aber mir das im Gegenzug auch irgendwann von ihr wünschen.
Am Allerwichtigsten: Sie soll wissen, dass wir jeden Konflikt irgendwie lösen können, dass sie sich meiner Liebe immer sicher sein kann und dass ich sie niemals einsperren, festbinden oder grob anfassen werde.

Aus Mama wird Oma

Ich möchte am Schluss noch sagen:
Meine Mama hat mich immer geliebt. Garantiert. Sie hat drei Kinder bekommen, die sie so früh nicht wollte. Sie hat unsren Papa geheiratet, weil die Familie sagte, das müsse so sein. Sie wurde mehrfach betrogen. Und da war ich, ein dickköpfiges und ihr argumentativ und sprachlich schon früh mindestens ebenbürtiges Kind. Das ist alles keine echte Entschuldigung, aber ich weiß heute, dass sie sich wirklich nicht anders zu helfen wusste. Sie hätte Hilfe gebraucht. Und war allein, umgeben von Schwiegerfamilie, die ihr sagte, sie solle sich nicht so anstellen. Wie wäre ich wohl geworden an ihrer Stelle, ohne gutes Vorbild?
Heute ist sie die beste Oma der Welt. Sie quatscht uns nicht dazwischen. Sie äußert ihre Meinung, aber lässt uns unsren Weg gehen. Ihre Ratschläge helfen mir oft weiter. Bei Übernachtungen praktiziert sie von sich aus das Familienbett mit ihren Enkelkindern, zwingt sie nie zu etwas, verwöhnt sie und ist sooo liebevoll. Ihre Umarmungen trösten und ihre Liebe ist riesig.
Vieles von damals weiß sie gar nicht mehr, ist entsetzt, wenn ich mit ihr drüber sprechen will. Sie hat es tatsächlich verdrängt. Also lasse ich es gut sein, ich möchte sie nicht verletzen.
Am Wichtigsten: Wenn ich zu ihr sage: NEIN, ich möchte nicht, dass meine Tochter dies oder das tut (Eis essen vor ihrem ersten Geburtstag zum Beispiel, das war mir irgendwie wichtig.) dann richtet sie sich danach. Sagt zu meinem Kind: Die Mama möchte das nicht, und ich höre auf die Mama.
Ein anderer Mensch.

Was ich heute noch mit mir herum trage, weil meine Kindheit war, wie sie war, weil ich so dominiert wurde, das ist eine andere Geschichte.
Für mich zählt primär: Es besser machen. So gut ich kann.

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Eine Antwort

  1. Aline sagt:

    Bewundernswert, Herzzereisend und ganz großen Respekt

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