Frauenfeindlichkeit – In was für einer Welt leben wir eigentlich?
Frauenfeindlichkeit ist in der Theorie ein Thema, das uns alle betrifft. Frauen, weil sie direkt davon betroffen sind, aber auch Männer, die das eigentlich nur falsch finden können. Naja, bis auf die, die eben frauenfeindlich handeln. Mir will das nicht in den Kopf.
Am Montag war Weltfrauentag und ehrlich gesagt, ich finde es jedes Jahr aufs Neue lächerlich, wie Frauen an diesen einen Tag von Medien in den Fokus gerückt werden. In Berlin ist das ein Feiertag, so weit, so super. Und versteht mich nicht falsch, ich bin absolut dafür Frauen zu feiern, Frauen sichtbarer zu machen, Frauen als Teil der Gesellschaft in den Fokus zu rücken. Aber wenn es nur an diesem einen Tag im Jahr wirklich eine Rolle spielt, dann ist es ja irgendwie auch nur vorgeschoben, oder?
Wir feiern Frauen – einmal im Jahr
Wir waren gestern wieder im Wald, auf der Fahrt dorthin liefen im Radio weibliche Musikerinnen in Dauerschleife, Frauen empfahlen unbekannte Musikerinnen, Männer erzählten von ihren Lieblingskünstlerinnen. Alle Medien hatten irgendwas frauenpoltitisches im Gepäck, von Equal Pay über feministische Theorien bis hin zu Tipps von Frauen für Frauen.
Frauen sind jeden Tag gleich wichtig
Alles super, aber wieso geht das nicht an jedem anderen Tag im Jahr auch? Ist es nicht ziemlich frauenfeindlich, das genau an einem Tag Frauen in den Fokus rücken und sonst nur mitgemeint sind? Immerhin kein Mansplaining, könnte man meinen, immerhin kamen ja viele Frauen zu Wort. Aber hey, die sind an all den anderen Tagen im Jahr auch verfügbar. Niemand muss die extra für diesen einen Frauentag ansprechen, ihre Expertise geht über Eintagsfliegigkeit hinaus.
Frauenfeindlichkeit und Hate Speech
Ich weiß, Frauen melden sich oft weniger selbst als Expertin, obwohl Frauen oft andere Frauen als Gesprächspartnerin empfehlen, wenn sie selbst nicht können. Davon abgesehen, dass wir Frauen da dringend an unserem eigenen Standing arbeiten müssen, immerhin sagen Männer auch dann Einladungen zu, wenn sie sich nur so halbwegs im Thema auskennen, hat das einen ganz einfachen Grund. Frauen erfahren, wenn sie sich öffentlich äußern sehr viel öfter Hate Speech. Das passiert auch, ich kann aus eigener leidvoller Erfahrung berichten, bei Themen die eigentlich gar keinen Grund dafür liefern. (Irgendwann schreibe ich über das, was mir nach hart aber fair passiert ist, versprochen. Aber gerade geht das noch nicht.)
Nicht nur Männer sind frauenfeindlich
Und ja, das ist Frauenfeindlichkeit, die leider auch von Frauen kommt. Denn statt Männer zu kritisieren, werden Frauen angegriffen. Und es macht mich sauer und müde und es entsetzt mich. Natürlich müssen Frauen nicht per se zusammen halten, aber sorry, im Zweifelsfall ist Zusammenhalt für mich immer die bessere Idee. Denn zusammen sind wir stärker. Und wir verlieren eine Menge wichtiger Energie im Kleinklein, wenn wir gegenseitig so zerfleischen. Wir haben doch genug Männer, die uns erklären wollen, wie es richtig geht.
Beschimpfungen von Männern
Heute war ich mit meiner Tochter unterwegs, als eine andere Frau auf dem Fahrrad entgegen kam. Ja, sie war auf dem Gehweg, ja, das war nicht so toll, aber sie fuhr langsam, sie hatte ein Kind im Kindersitz und ehrlich, wer das noch nie gemacht hat werfe den ersten Stein. Ein Mann stellte sich ihr in den Weg und brüllte „Na Mutti, mal schön runter vom Rad!“. Sie war irgendwas zwischen erschrocken und überfordert denke ich, fuhr um ihn herum und weiter langsam den Gehweg entlang. „Du alte Fo***“ brüllte der Typ ihr hinterher.
Ich fragte ihn, was das soll, ob das die richtige Art sei mit Frauen zu reden. Daraufhin bekam natürlich auch ich seine Frauenfeindlichkeit ab, „blöde Schlam***, Fo***“, ergoss es sich über mich. Meine Tochter bekam das zum Glück nicht richtig mit. Der Mann ging weiter, ich rief ihm hinterher, dass seine Beleidigungen absolut deplatziert seien. War ihm egal, das ist mir klar. Ein anderer Mann, der gerade einen Kinderwagen schob, nickte mir zu und meinte „ja, das ging gar nicht!“ No shit! Aber sorry, warum sagt der denn nicht gleich was? Wieso musste ich das Wort ergreifen und nicht er?
Auch schweigen ist frauenfeindlich
Frauenfeindlichkeit hat auch viel mit Geschehen lassen zu tun, mit sich nicht einmischen. Die beschimpfte Frau selbst wird davon vermutlich gar nichts mehr mitbekommen haben. Aber, dass Männer so über Frauen reden, das sie sich frauenfeindlich äußern, das bleibt ja ein Thema.
Habe ich eine Lösung gegen Frauenfeindlichkeit? Natürlich nicht, weil es die EINE Lösung auch überhaupt nicht gibt. Aber wenn Frauen sich im Alltag mehr unterstützen, füreinander einstehen und sich gegenseitig supporten, dann ist schon mal einiges gewonnen. Und wenn Männer ins Boot kommen, die es nicht nur einen Tag im Jahr wichtig finden, Frauen auf die Bühen zu holen, sondern jeden Tag. Wenn wir unsere Töchter und unsere Söhne dazu erziehen, dass alle Menschen gleichwichtig sind, dass niemand qua Geschlecht Vorteile hat, dann ist für die kommende Generation schon mal viel gewonnen.
Eure Erfahrungen mit Frauenfeindlichkeit
Was sind eure Erfahrungen mit Frauenfeindlichkeit? Habt ihr solche verbalen Übergriffe schon erlebt? Wie habt ihr reagiert? Und wie geht ihr generell mit dem Thema um?
Liebe Andrea,
solche krassen Beschimpfungen habe ich noch nicht abbekommen, aber vieles andere nicht minder gefährliche, da ich oftmals als Frau gelesen werde. Ich gestehe mir die Wut zu, die es auslöst, und stelle mich so fest ich kann auf den Standpunkt, dass es weder wahr ist, noch, dass ich verdient habe so behandelt zu werden. Und dass ich für den Menschen gerade eine Projektionsfläche für seine Themen darstelle, es dabei aber nicht um mich geht.
Dann halte ich mich meist davon ab bei Menschen, die keinerlei Diskussionsbereitschaft mitbringen, zu antworten um Kraft zu sparen. Andere verwickle ich gerne in Grundsatzdebatten.
Die Reaktion, die Worte als Unwahrheit und unangemessen gegenüber der angesprochenen Person zu benennen, ist die unterste Stufe von nicht tatenlos daneben stehen. Heißt nicht, dass mehr nicht schöner wäre. Aber in vielen Diskriminierungskontexten, bin ich selbst froh, wenn ich das laut ausgesprochen bekomme.
Liebe Grüße
Lio