Erfahrungen am LaGeSo – #bloggerfuerfluechtlinge

Schon auf dem Weg zum LaGeSo rasen meine Gedanken. Ich bin auf dem Weg um Spenden vorbeizubringen, zu helfen. Im Lastenrad sind Schuhe, Flaschen mit Duschgel und Shampoo, Seifenblasen, Straßenmalkreide und hundert Dinge mehr. Das Runzelfüßchen habe ich auf meinem Weg dorthin im Kindergarten abgegeben. Wisst ihr wie komisch das war? Mein Kind inmitten anderer lachender Kinder, die zum Glück keine Ahnung vom Leid in der Welt haben?
Je näher ich der Turmstraße 21 komme, umso nervöser bin ich. Weil ich nicht weiß, was mich erwartet, und, so doof wie das klingt, aber, weil ich auch nicht weiß, ob ich mit all dem umgehen kann.

Wie ist es beim LaGeSo?

Im Vorfeld hatte ich Vieles gehört, über das Gelände, dass jeden Tag um 19.00 Uhr geschlossen wird, über all die Menschen die dort jeden Tag ankommen. Vor ihnen hatte ich keine Angst, aber vor den Geschichte, die die Menschen auf ihrer Flucht erlebt hatten. Ich weiß, dass jeder von uns anders ist, und ich kenne mich gut genug um zu wissen, dass es Dinge gibt, die mich verfolgen. Das heißt nicht, dass ich vor grausamen Realitätem die Augen verschließe und so tue, als wären Dinge nicht passiert. Es heißt aber sehr wohl, dass ich großen, tiefen Respekt vor den Menschen habe, die sich jeden Tag mit all diesen Schicksalen konfrontiert sehen und nicht weglaufen.

Eindrücke LaGeSo

Als ich auf das Gelände biege, bin ich schnell umzingelt von Menschen. Mit dem Lastenrad falle ich auf. Kinder laufen auf mich zu und bestaunen neugierig mein Gefährt. Und alle, wirklich alle, lächeln mich an. Auf dem Gelände des LaGeSo verfahre ich mich beinahe sofort und lande vor dem Haus, vor dem Hunderte Menschen Schlange stehen. Sie warten darauf endlich in das Gebäude zu kommen um hier ihren Antrag auf Aysl stellen zu können. Mich erstaunt, wie ruhig und gleichzeitig freundlich alles ist. Natürlich habe ich kein Ausschreitungen erwartet, aber wenn ich mir vorstelle wie tausende Deutsche auf der Flucht in einem fremden Land, dessen Sprache sie nicht sprechen, nach unvorstellbaren Strapazen vor einem Gebäude stranden und dann tagelang auf einen Termin warten müssen, ich weiß nicht, ob das auch so friedlich wäre.

Schockeriert hat mich der Toiletten/Duschcontainer. An jedem Strand an der Ostsee steht solch ein kleines Ding, nur herrscht hier ein ungleich größerer Andrang. Ein kleiner, vielleicht dreijähriger Junge steht am Container und sieht mich an. Er fängt an zu winken und freut sich offensichtlich über das Rad. Ihm zuliebe klingel ich was das Zeug hält und ernte dafür ein breites Grinsen und das Nicken und Lächeln seiner Mutter. Kinderfreude ist eben international!

Foto freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Mareice von www.kaiserinnenreich.de

Auf dem Gelände haben die Berliner Wasserbetriebe eine Wasserspendestation errichtet. Viele, viele Menschen stillen hier ihren Durst. Und so toll wie ich die Initiative finde, so abstoßend finde ich das Schild, das an der Station hängt. Es weist daraufhin, dass es hier keinen Wodka oder andere alkoholische Getränke sondern nur Wasser gibt. Mich stößt das ab, denn Menschen, die es bis hierher geschafft haben, sind, glaube ich, nicht auf der Suche nach Alkohol und Party.

Hilfe für Flüchtlinge

Mittlerweile habe uch mich auf dem Gelände restlos verfranst. Von rechts und links winken mir Menschen zu, zwei begrüßen mich leise mit „hello“und fragen, ob ich hier bin um zu helfen. Ja, das bin ich. Sie zeigen mir den Weg zum richtigen Haus, wo ich meine Spenden loswerden kann. Ein junger Mann spricht mich an, er geht mit mir bis zum Spendenhaus. Er heißt T., stellt er sich vor und bedankt sich im nächsten Satz sofort für meine Hilfe. Ich bin fasziniert davon, wie viel Helfer_innen sich kennen. Sie alle sind sehr freundlich zueinander und auch zu mir. So oft wie an diesem Tag habe ich selten das Wort „danke“ gehört.

Als ich meine Spenden, Schuhe, Drogerieartikel, Medikamente und Spielzeug auslade, komme ich mir schrecklich hilflos vor. Weil es mir so wenig erscheint für all die Flüchtlinge, die hier ankommen. M. ein weiterer Helfer, beruhigt mich. Sie seien froh über jede Spende, jeden, der sich engagiert. Er selbst kann meine Spenden nicht tragen, weil er eine Rückenverletzung hat. Trotzdem ist er hier und hilft. Ich bin tief beeindruckt.

Hilfe für Flüchtlingskinder

Mit meinen Spenden für die Kinder werde ich direkt zu einem Stückchen Wiese geschickt. Hier sitzen einige Familien und ungefähr fünfzehn Kinder. Ich überreiche Seifenblasen, Nachfüllflüssigkeit, Straßenmalkreide, Malbücher, Blöcke und Stifte und kleine Kuscheltiere. Dankbar nimmt eine  Helferin alles entgegen. Bis auf die Kuscheltiere, die ich in eine Kiste werfen soll. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie ein kleines Mädchen ihren Hals danach verrengt. Als ich sie anlächle schaut sie weg. Hilfesuchend sieht sie sich nach ihrer Mutter um. Diese nimmt sie an die Hand und nickt mir zu. Ich weiß, dass dieses kleine Mädchen heute abend mit dem Teddy vom Runzelfüßchen kuscheln wird und es macht mich unfassbar froh.
 

Ich bleibe auf der Wiese stehen, denn zwei kleine Kinder haben die mitgebrachten Seifenblasen entdeckt. Ich schwöre, in dem Moment, als ich Kinderlachen höre, schießen mir die Tränen in die Augen. Weil es für meine Tochter so vollkommen normal ist sich jeden Tag ihres Lebens über Seifenblasen zu freuen und es scheint, als wären diese Momente, die ersten unbeschwerten, die diese Kinder seit Langem hatten. Immer mehr Menschen kommen, angezogen von dem Gegiggel und Gekicher auf die Wiese. Und ob groß oder klein, alle haben ein Lächeln auf dem Gesicht. Ich wünschte, ich hätte mehr Seifenblasenröhrchen mitgebracht um sie auch den Erwachsenen in die Hand zu drücken.

Als ich knapp zwei Stunden später wieder Richtung Schreibtisch aufbreche bin ich sicher: Ich muss noch viel, viel mehr tun. Ich will und kann und muss helfen. Und nun bin ich mir sicher: Jedes kleine bißchen hilft!
Engagiert ihr euch? Berichtet mir gern davon, macht sichtbar was ihr Tolles, Gutes, Wichtiges tut. Und wenn ihr mögt, Blogger_in oder nicht, dann schließt euch  Blogger für Flüchtlinge an.

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Eine Antwort

  1. Suse sagt:

    Danke für Deinen Erfahrungsbericht.
    Uns geht es unglaublich gut. Auch wenn wir das nicht jeden tag spüren. Aber wir haben ein Zuhause. Die Menschen, die in Deutschland mit Nichts ankommen haben genau das nicht!
    Liebe Grüße
    Suse

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