„Ich kann nicht alles sein“ – Julian Looman über Ablehnung, Erfolg und seine neueste Rolle
Julian Looman dürften die meisten von euch schon mal in einem Film oder einer Serie gesehen haben. Der 40-Jährige spielt u.a. in „The Mallorca Files“ „Die Ibiza Affäre“ und „Constellation“ mit, hatte z.b. auch eine Gastrolle bei „Emily in Paris“ oder im „Bergdoktor“. Ab sofort könnt ihr Julian als Bodyguard „Colin“ in der neuen ZDF neo Serie „Crystal Wall“ sehen.

In „Crystal Wall“, einer Love & Crime Serie, könnt ihr über 26 Folgen in die Welt von Mixed-Martial-Arts-Kämpferin Louna Loris und dem Millionenerben Nicolas Dardenne eintauchen. Sie rettet ihm das Leben, wird dann als ihr neuer Bodyguard engagiert. Und Colin, langjähriger Bodyguard der Familie, ist zunächst skeptisch gegenüber Louna, greift ihr aber auch unter die Arme. Mehr kann ich euch noch nicht verraten, denn auch ich habe natürlich noch nicht alle Folgen gesehen. Denn natürlich ist da mehr an der Geschichte dran, als nur, dass Louna ab sofort für die Sicherheit von Nicolas zuständig ist. Wir sind ja hier schließlich im Love & Crimebereich … Seit dem 10. April könnt ihr die Serie in der ZDF-Mediathek anschauen, ab dem 27. April auf ZDFneo.
Mit Julian Looman habe ich nicht nur über Bodyguards, starke Frauenfiguren und natürlich seine Rolle als Colin gesprochen, sondern auch über Ablehnung, Vorherbestimmung und das Aufrechterhalten von Fassaden. Mit Max Schimmelpfennig, der ebenfalls in der Serie mitspielt, habe ich auch gesprochen. Das Interview findet ihr hier auf dem Blog.
Julian, hast du schon mal Erfahrungen mit der Kristallwand gemacht?
Julian Looman: Da muss man für sich selbst erst mal definieren, was eine Kristallwand überhaupt ist. Jein! Ich würde sagen, von dort, wo ich bin, sieht man die kristallene Wand ganz gut. Aber ich bin weder durchmarschiert noch dagegen gekracht. Eigentlich habe ich immer einen Sicherheitsabstand dazu.
In der Serie gibt es direkt zum Einstieg diesen Satz, der sinngemäß sagt: Wir sind entweder vollkommen frei in unseren Entscheidungen oder alles, was wir tun, ist vorherbestimmt. Was glaubst du, was stimmt eher?
Ich glaube schon, dass man ein gewisses Glück erzwingen kann und [ich] daher auch frei bin, in dem, was ich tue. Dennoch rede ich mir ein, dass manche Sachen für einen bestimmt sind. Allerdings muss man sehr vorsichtig sein, wie man seinen Wunsch formuliert. Man muss Wünsche sehr präzise äußern. Denn wenn man sehr vage damit bleibt, dann werden sie auch nur sehr vage in Erfüllung gehen. Manchmal sind Sachen auch einfach Scheiße oder Pech. Manchmal haut das Leben einem eine rein und dann ist das eben so. Ich arbeite ständig an meiner Resilienz.
Das heißt, du kannst das dann gut annehmen, wenn auch mal etwas nicht so klappt, wie du es dir im ersten Moment erhofft hast?
Ja und nein. Viele Dinge im Leben sind natürlich auch einfach Glück. Glück gehört dazu. Wenn einem das klar ist, dann kann man auch besser mit Ablehnung umgehen. Ablehnung ist ein großer Teil meines Berufs.
Und wie ist es im umgekehrten Fall? Wenn es klappt, dann ist es Glück. Aber wenn es nicht klappt, ist es dann Schicksal oder bist du dann in deinen Augen schuld daran?
Es ist niemand schuld. Den einzigen Vorwurf, den ich mir machen könnte, ist, wenn ich nicht das gezeigt hätte, was ich zeigen wollte. Das kann an einem Set sein, aber auch vor allem im Castingprozess. Mir ist wichtig, dass ich mit mir zufrieden bin und überzeugt bin, dass es das Beste ist was ich in diesem Moment produzieren konnte.
Wenn ihr das so nicht kauft, dann kann ich euch nicht helfen. Dann ist mein Angebot scheinbar nicht das, was ihr kaufen wollt. Ihr wollt Birnenkompott machen, aber ich habe nur Äpfel. Damit kann ich sehr gut leben. Ich nehme das schon lange nicht mehr persönlich. Das habe ich mir abtrainiert.
Wie hast du dir das abtrainiert? Denn ich bin mir sicher, dass das ganz viele zwar auch gern so sehen wollen wie du, aber es ganz anders fühlen und dann von einer Absage, wo auch immer in ihrem Leben, eben doch getroffen sind.
Ich nehme das, wie gesagt, nicht persönlich. Ich habe ein Angebot gemacht, aber ich kann nicht alles sein. Wenn jemand auf der Suche nach einem kleinen, dunkelhaarigen Italiener ist, dann wird es für mich eher schwierig die EntscheidungsträgerInnen vom Gegenteil zu überzeugen. Aber ich habe auch schon die umgekehrte Erfahrung gemacht, dass mir bei einem Casting etwas weniger gut gelungen ist und ich den Job trotzdem bekommen habe. Wenn jemand etwas in dir sieht, dann sieht er/sie es.
Lass uns über „Crystal Wall“ sprechen. Dein Colin ist ja sehr beherrscht. Er hat einen tiefen Einblick hinter die Fassade der Familie Dardenne, hält seine eigene Fassade aber die ganze Zeit aufrecht.
Das ist mir also gelungen. Das freut mich sehr, danke.
Auf jeden Fall. Ich mochte deine Rolle sehr. Aber zurück zur Frage: Den Blick hinter die Fassade haben und die eigene aufrechterhalten – kennst du das auch?
Wer kennt das nicht? Das ist ja auch eine ganz menschliche Sache. Jeder hat seine Fassade, sein Public Face, und dahinter spielt sich etwas ganz anderes ab. Wir spielen alle Rollen.
Natürlich. Aber das meine ich gar nicht unbedingt. Von deinem Colin weiß man gar nichts. Hat der ein Privatleben? Wie ist der Mensch privat, was interessiert ihn? Es gibt einen kleinen Moment, in dem er dehydrierte Gurke und Madenkäse isst und das auch gut zu finden scheint. Das ist ja schon sehr speziell. Hast du auch schon mal etwas so Außergewöhnliches gegessen?
Ich habe mal Grashüpfer gegessen, aber das ist mittlerweile auch nicht mehr so speziell. Als ich mal in Afrika war, habe ich Krokodil und Giraffe und solche Sachen gegessen. Aber nein, so etwas ganz Krasses habe ich nicht probiert. Ich war neulich beim Chinesen hier in Wien, da gab es geschlagene Gurken. Die waren sehr lecker. [Er lacht] Es gab auch „Hühnchen nach seltsamem Geschmack“, das habe ich aber nicht probiert.
Hast du eigentlich schon selbst mal Erfahrung mit Personenschutz gemacht?
Nein. Ich habe schon mal Leute gesehen, die Personenschutz hatten, aber ich selbst habe da Gott sei Dank noch nie irgendwelche Erfahrungen gemacht, dass man mich weggedrängt oder festgehalten hat. Oder selber einen gebraucht hätte.
Was mir in Wien aber mal passiert ist: Ich bin in ein Bankfoyer gegangen, weil ich Geld abheben wollte. Das war irgendwann nach Mitternacht, während Leute gerade den Geldautomaten befüllt haben. Ich bin da so reingestürmt, dass einer die Waffe gezogen und sie auf mich gerichtet hat. Ich möchte nicht sagen, dass es eine Nahtoderfahrung war, denn es ist ja nichts passiert. Aber es war schon krass.
Zur Vorbereitung auf Colin bin ich in Berlin mit einem Personenschützer zusammengekommen, der für sämtliche deutsche Minister den Personenschutz macht. Der hat mir einige sehr interessante Geschichten erzählt und dafür gesorgt, dass ich jetzt einen anderen Blick auf Personenschutz habe.
Was hat dich daran gereizt, den Colin zu spielen?
Ich bin jemand, der immer versucht, den Humor in den Figuren zu entdecken. Ich fand es spannend, dass hier versucht wurde, alles zu deckeln. Dass es darum ging, so wenig wie möglich preiszugeben. Das war für mich eine riesige Herausforderung. An dem Projekt gereizt hat mich auch das Format: 26 Folgen á 25 Minuten. Eigentlich ein Comedy-Format möchte man meinen. Hab mir dann erklären lassen, dass dieses Genre Love&Crime heißt – das kannte ich gar nicht. Und es ist für ein junges Publikum, das fand ich auch spannend. Ich habe ja viel für ein älteres Publikum gemacht. Und dann war es glücklicherweise ein cooles Team und eine tolle Crew. Die Kollegen und Kolleginnen waren alle fantastisch. Das weiß man ja vorher nie.
Ich habe gelesen, dass du sagst, „Crystal Wall“ ist eine Coming-of-Age-Geschichte. Ich empfinde das gar nicht so. Ist es nicht eher Coming to Life? Oder steht mir hier mein Literaturstudium im Weg?
Coming of Age ist für mich ein universelles Thema. Ich kann auch mit 50 noch ein Coming of Age haben, denn ich entwickle mich weiter. Ich meine das nicht im Sinne von Billy Elliot, der wächst und sich weiterentwickelt und dann Balletttänzer wird. Für mich ist es eher eine krasse Entwicklung, die jemand hinlegt, und die Welten, die bei „Crystal Wall“ aufeinander clashen, sind ja enorm.
Jetzt haben wir mit Louna eine total starke Frauenfigur, was ich super finde. Was sagst du – brauchen wir mehr davon?
Es geht nicht um die Quantität der Frauenrollen, die Qualität macht es aus. Ich halte nichts davon, dass man jede Serie mit zehn starken Frauen flutet. Es sollte nicht inflationär werden – weder bei den Männern noch bei den Frauen noch bei allem dazwischen, weil dann ja wieder die Gefahr eines Backlash gegeben ist. Prinzipiell sollte es nichts mit dem Geschlecht zu tun haben. Es müssen einfach gute Rollen sein, Figuren sollten interessant erzählt werden. Das finde ich wichtig.
Ich weiß aber natürlich, worauf du hinauswillst, wenn du fragst, ob es mehr Frauen braucht. Ich nenne mal ganz bewusst den Begriff des „alten weißen Mannes“. Wenn „alte, weiße Männer“ Geschichten schreiben für „starke Frauen“, dann kann das mitunter schwierig werden. Weil es ja dann wieder nur aus einer Perspektive entsteht, anstatt aus dem Kern. Natürlich gibt es auch immer Ausnahmen und Autoren, die ihren Horizont erweitern wollen.
Dasselbe gilt auch für junges Fernsehen. Das sollten eben auch jüngere machen und nicht aus der Perspektive der Älteren heraus. Ich habe oft erlebt, dass ältere Leute versuchen, ganz junge Geschichten zu erzählen. Und dann wird’s „groovy und hip“ [er lacht] und dann kommen solche Wörter da rein, und ich denke: Du bist ganz weit weg von dem, was jetzt ist. Da werden auch Checklisten abgearbeitet um alle Anforderungen an Diversität und Gleichberechtigung zu erfüllen. Das ist wahrscheinlich auch wichtig. Aber man sollte damit auch nicht so hausieren gehen.
Wichtig ist, dass es irgendwann keine Grenzen mehr gibt. Jeder und jede soll die Möglichkeit haben, seine Geschichte mit den Figuren zu erzählen, mit denen sie bzw. er sie erzählen will. Für mich war das bei „Crystal Wall“ eine total interessante und neue Erfahrung mal einer der „Älteren“ zu sein. Gustav [Schmidt, spielt Nico Dardenne] und Anna [Bardavelidze, spielt Louna Loris], sind ja eigentlich eine neue, andere Generation. Deren Sicht und Umgang bei der Arbeit zu beobachten war sehr lehrreich und das Selbstverständnis mit dem „inklusiv“ kommuniziert wurde, war sehr beeindruckend. Auch der Umgang mit Körperlichkeit und die Grenzen dieser wurden mit einer, für mich neuen, Awareness behandelt. Echt sehr spannend und vor allem ungemein wichtig.
Eine letzte Frage: Was inspiriert dich in deinem Beruf?
Tolle KollegInnen, tolle RegisseurInnen und sehr gute Drehbücher. Bei dieser Kombination werde ich ungemein kreativ. Natürlich kann am Set auch ein Vibe entstehen, dem man sich nicht entziehen kann und dem man sich unterwerfen muss und möchte. Dann entsteht der berühmte Flow. Ohne Flow geht nichts. Es ist schon ein sehr privilegierter und schöner Beruf.
Seit dem 10. April könnt ihr die Serie in der ZDF-Mediathek anschauen, ab dem 27. April auf ZDFneo. Für alle, die sie im ZDF schauen wollen, ab dem 29. Mai wird sie auch dort gezeigt.
Eine Antwort
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