„Wunderschöner“ – Warum diesen Film unbedingt mehr Männer schauen sollten

Ich kann es schon vor mir sehen, wie die meisten Männer beim Anblick vom Trailer oder auch nur dem Plakat von „Wunderschöner“ gedanklich die Schublade „Frauenfilm“ aufmachen und nicht eine Sekunde drüber nachdenken, ob der Film vielleicht was für sie sein könnte. Immerhin sind im auf dem Poster fast nur Frauen abgebildet, es wirkt irgendwie romantisch und der einzige Grund für einen Mann, sich solch einen Film anzuschauen ist vermutlich der, einer Frau in seinem Leben einen Gefallen zu tun.

Wunderschöner: Filmkritik von Andrea Zschocher

Aber, ganz ehrlich, das ist falsch. Denn der Film bietet gerade Männern so eine wichtige Einsicht in Themen, die Frauen heute beschäftigen. Ich glaube, wenn mehr Männer den Film schauen würden, es gäbe mehr Verständnis für alle die Wut, das Ausgebranntsein, die kurze Zündschnurr, die wir Frauen (zum Glück) mehr und mehr an den Tag legen, wenn es darum geht, mal wieder die weibliche Perspektive nicht mitzudenken. Denn „Wunderschöner“ ist kein Film von (vielen) Frauen (und einigen Männern) für Frauen, sondern einer für die Gesellschaft.

Stöhnender Mann, irritierte Frau

Als ich in der Pressevorführung von „Wunderschöner“ saß, hat mich eigentlich nur eine Tatsache massiv gestört: Hinter mir saß ein Mann, ein Kollege (ich weiß leider nicht wer es war, im Kino isses ja dunkel) und stöhnte bei wirklich jeder Szene, die verdeutlichte, wie viel Frauen so kämpfen müssen, an wie vielen Stellen wir Stärke zeigen müssen und wo wir einfach mehr Gehör finden sollten. JEDES einzelne Mal, wenn so eine Szene kam bei der ich dachte: So isses, wie gut, dass das mal im Film gezeigt wird, stöhnte es hinter mir auf. Und klar, am liebsten hätte ich mich umgedreht und gesagt: „Na dann geh doch“. Hab ich aber nicht gemacht, weil wir Frauen ja oft genug auch nicht negativ auffallen wollen.

Hab ich mich hinterher geärgert? Natürlich. Auch, weil ich nach dem Film natürlich gern mit dem Kollegen darüber gesprochen hätte, was genau eigentlich sein Problem war. Aber er war schneller weg als ich gucken konnte. Mich lässt sowas ja auch deswegen fragend zurück, weil ich mir denke: Wenn du merkst, der Film ist nichts für dich, warum gehst du dann nicht? Warum musst du dich über zwei Stunden (japp, der Film ist wirklich lang) durch einen Film stöhnen um am Ende vermutlich einen Verriss drüber zu schreiben, obwohl du vielleicht einfach nicht verstanden hast, was so unglaublich viele Frauen jeden Tag durchmachen.

„Wunderschöner“: Ein schmerzhafter und wichtiger Film

Denn Fragen wie „habe ich vielleicht nicht laut genug nein gesagt?“, „Genüge ich den Ansprüchen, die anderen an mich haben und warum sind die Anderen wichtiger als ich selbst?“, „Wie löse ich mich aus toxischen Frauenfreundschaften auf die Gefahr hin, dann allein da zu stehen“ und „Wieso ist Familie haben eigentlich immer noch ein Frauenthema und so unendlich hart?“ sind keine Fragen, die nur mal eine Frau kennt.

Selbst die Frauen, die glauben, sie hätten die gleichen Freiheiten wie Männer, kommen an einen Punkt an dem sie merken: So ganz stimmt das nicht. Das ist schmerzhaft, gleich in mehrerer Hinsicht, und es wird vom Ensemble (u.a. Karoline Herfurth, Nora Tschirner, Emilia Schüle, Anneke Kim Sarnau, Jasmin Shakeri und Emilia Packard) so wunderbar getragen, dass es einem neben Tränen der Rührung auch die der Wut und des endlich Verstanden werdens über die Wangen laufen können.

Männer, geht ins Kino und schaut euch „Wunderschöner“ an

Auch das männliche Ensemble (u.a. Godehard Giese, Friedrich Mücke, Maximilian Brückner oder Malick Bauer) spielt seine Rollen gut und sollte gerade vielen Männern beim Verstehen helfen. Denn nichts, was da auf der Leinwand gezeigt wird, sollte Frauen wirklich unbekannt sein. Wir wissen doch, womit und wogegen wir jeden Tag zu kämpfen haben. Deswegen ist meine dringende Empfehlung eben insbesondere an Männer die: Geht ins Kino und schaut euch diesen Film an. Das wird streckenweise ganz sicher weh tun. Aber es ist nötig, damit ihr mehr Verständnis für die weibliche Sicht der Dinge bekommt. Nicht, weil wir das für unser Gefühl brauchen, sondern weil unsere Gesellschaft nicht mehr weiter so funktioniert, dass wir nicht auf Augenhöhe miteinander agieren.

Karoline Herfurths Sonja legt an einer Stelle entkräftet vom dauernden Kämpfen ihren Kopf auf den Tisch und weint. Ich habe in dem Moment überlegt, wie vielen von uns es wohl ähnlich geht. Mareike Fallwickl hat mit „Und alle so still„* das Buch dazu geschrieben, nämlich darüber, was passieren würde, wenn wir (sinnbildlich) unsere Kopf einfach auf dem Tisch liegen lassen würden. Wie gern hätte ich mit dem Ensemble über genau diese Themen gesprochen.

Kann man „Wunderschöner“ auch gucken, ohne „Wunderschön“ zu kennen?

Ich muss gestehen, den ersten Teil „Wunderschön“ habe ich damals nicht geguckt. Zum einen war es mitten in all den Corona-Zeiten und Kino war so ziemlich das letzte auf meiner langen Liste an Dingen, die mir im Kopf rumgingen, zum anderen aber auch, weil ich dachte: Ach, deutscher Film über Frauenkörper, was soll ich da schon Neues zu sehen bekommen. Ich weiß nach wie vor nicht, was ich hätte sehen können, aber ich kann euch sagen: Ihr könnt „Wunderschöner“ auch schauen, wenn ihr den ersten Teil (so wie ich) nicht gesehen habt. Ein paar Fragezeichen hatte ich, aber nicht so gravierend, dass es mir an irgendeiner Stelle den Filmspaß genommen hätte. Und jetzt kann ich „Wunderschön“ ja im Stream schauen.

Mir bleibt nur euch zum Film gucken zu animieren, es wird in den 137 Minuten sicher nicht langweilig und die sich ans Schauen anschließenden Gespräche könnten ja etwas in eurer Familie oder im Freund*innenkreis anstoßen. Und wir alle wissen, viele kleine Veränderungen bewirken letztlich etwas richtig Großes.

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