Unterstützt mich oder schweigt

Runzelfuesschen Elternblog Leben mit Kleinkind Leben mit Baby Menschen und Baby Mit Kind in Berlin

Liebe Mitmenschen,

an und für sich freue ich mich fast immer über Austausch mit euch. Ein kurzer Plausch in der Bahn, an der Ampel, im Supermarkt. Über das Wetter, meine Kinder, eure Reisen. Auch tiefer gehende Gespräche über das Leben im Allgemeinen und eures im Besonderen sind erhellend und in aller Regel willkommen. Ihr überschreitet manchmal Grenzen, aber so ist das, und meistens komme ich damit klar. Oder ärgere mich. Und sage euch das. All das ist fein und gehört zum Leben in einer Großstadt dazu.

Keine Kommentare zum schreienden Kind

Aber bitte, bitte hört auf mich und mein schreiendes Kind zu kommentieren. Ihr beobachtet mich, wie ich den kleinen Herrn Annika trage, wie ich mit ihm rede, ihn küsse, wickle, stille. Ihr seht wie ich über den Kinderwagen gebeugt stehe, mein Gesicht ganz nah ans Baby schiebe. Wie ich für ihn da bin, auch wenn er brüllt und brüllt und brüllt.
Ihr seht und hört wie ich seine Schwester beruhige, die, ganz nebenbei, an mir zerrt, die Aufmerksamkeit von Mama will, die einen Plan hat wie ihr Nachmittag aussehen soll. Der beinhaltet in aller Regel einen Spielplatzbesuch, viele Freund_innen, ein Eis und ganz sicher keinen Heimweg mit brüllendem Bruder.

Kindern gerecht werden

Ihr seht, dass ich alles tue, was in meiner Macht steht um meinen Kindern gerecht zu werden. Ich lasse meinen Sohn nicht gern schreien, aber ich habe nur zwei Arme. Mit einer Hand schiebe ich den Kinderwagen, mit der anderen will das Runzelfüßchen kuscheln. Ich habe, schon rein anatomisch betrachtet, keine Hand mehr frei um auch das Baby noch auf den Arm zu nehmen.
Und manchmal habe ich keine Kraft den schweren Herrn Annika im Tuch zu tragen. Weil ich das schon die letzten fünf Tage pausenlos gemacht habe.

Fremde kommentieren mein Leben

Bitte spart euch, wenn ihr mich in solchen Situationen antrefft, eure Kommentare. Ihr müsst mich nicht auf das Geschrei hinweisen, denn ob ihr es glaubt oder nicht, in meinen Ohren wird es immer lauter klingen als in euren. Auch vermeintlich lustige Sprüche wie :“der hat aber kräftige Lungen“ oder :“so klein und schon so laut“ kommen in solchen Momenten nicht gut an.

Hunger? Durst? Windel voll? 

Bitte erklärt mir auch nicht was das vermeintliche Problem meines Sohnes sein könnte. Ich bin ziemlich sicher, dass ich besser informiert bin als ihr, ob er hungrig ist oder die Windel gewechselt werden müsste. Auch die Müdigkeit meines Kindes habe ich stets im Blick.
Ich habe all das nämlich schon längst überprüft bevor ihr uns überhaupt erblickt habt.

Unterstützt mich oder schweigt

Ich brauche keine klugen Ratschläge, keine mahnenden Gesichter und kein missbilligendes „tsss“. Ich brauche verdammt nochmal Unterstützung. In Form eines aufmunternden Lächelns, mit einem “ es wird irgendwann besser “ mit einem kleinen „Hallo“ an meine Tochter, damit ich kurz meine ganze Aufmerksamkeit auf den Sohn richten kann. Ich bin manchmal müde und ausgebrannt. Deswegen kümmere ich trotzdem um meine Kinder. Aber für eure schlauen Sprüche, für eure Hinweise, dass ich aber ganz schön fertig aussehe und dringend mehr schlafen sollte habe ich keine Kraft.

Seid still

Wenn ihr mir keine Unterstützung geben könnt, und das ist ja keinesfalls eine Pflicht, dann tut mir die Liebe und seid einfach still. Wir unterhalten uns dann gern ein anderes Mal, wenn ich nicht so erschöpft bin. Wenn ich mehr als zwei Stunden geschlafen habe. Wenn beide Kinder wieder die Goldstücke sind, die sie an den allermeisten Tagen sind und die ich bis zum Verrückt werden liebe.

Es ist einfach mal ein schlechter Tag für ein Gespräch. Nehmt es mir nicht übel und kümmert euch doch einfach um euch selbst.

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13 Antworten

  1. Anonym sagt:

    Danke!!!!
    Diesen Artikel würde ich gern ausdrucken und allen Leuten unter die Nase halten, die mir so im Alltag begegnen!
    Bei uns herrscht fast die gleiche Konstellation. 2,5Jährige Große Schwester, die allerdings auch noch sehr klein ist, und frisch geborener Bruder.
    Allerdings habe ich in der kurzen Zeit auch schon zwei sehr schöne Kommentare hören dürfen, die ich versuche innerlich herauszukramen, wenn mal wieder etwas blödes kommt.
    1. Eine ältere Dame beobachtet mich, wie ich den schreienden Sohn ins Tragetuch binde und meine Große an mir zerrt. Ich befürchte schon das schlimmste, als sie heran tritt und zur Tochter sagt "Du bist ja eine ganz tolle große Schwester. Hast du einen Bruder oder eine Schwester?" Die Große wuchs nochmal 2cm und erklärte, dass das ihr Bruder sei. Mittlerweile war ich fertig mit Binden, der Sohn ruhig und sie meinte noch zu mir "Für jedes Problem gibt es eine Lösung und alles Gute für Sie". Ich bedankte mich und war total perplex.
    2. Ähnliche Situation, diesmal begegnet mir eine Frau mit 4 Kindern, das jüngste ungefähr 4. Sie fragt freundlich, ob ich Hilfe brauche und meint dann "Es wird alles besser. Und wenn dann alles gut ist, macht man noch ein Kind und fragt sich 9 Monate später warum zur Hölle man sich das angetan hat. Es kommen wieder bessere Tage!"
    So etwas entschädigt schon fast für alle doofen Kommentare und missbilligende Blicke.

  2. Seelentief sagt:

    Solche Menschen werden Dir leider noch öfters begegnen. Es gibt Menschen die ihre Lebensweise auf andere projizieren müssen, weil ihr Leben das "richtige" ist. Weil es bei ihnen ja anders gelaufen ist.

    Ich bin ehrlich, wenn ich schon eine solche Situation mitbekommen habe, habe ich mich nie eingemischt, weil ich für mich denke – ich kann mich doch da jetzt nicht einmischen, was denkt dann die Frau von mir – ich halte sie für unfähig?? <— vllt denken so noch mehr Menschen, wenn sie nur schauen?
    Die Unwissenheit lähmt auch manchmal.

    Für die dummen Sprüche muss man mit der Zeit taub werden.
    Auch wenn´s schwer fällt.
    Die ziehen einem nur noch mehr runter.
    Um so schöner wird es natürlich dann, wenn man Hilfe bekommt 🙂

    Auch ich musste mir schon so manchen Spruch in meiner Erziehung anhören. Erst recht als meine noch kleiner waren. Heute sind sie 13 und 11. Glaub mir, es war auch nicht immer einfach, beiden gerecht zu werden.
    Ich hab aufgehört, es anderen recht zu machen, denn es ist mein Leben.

    … ein Kind darf auch mal etwas länger schreien 🙂 daran geht es nicht kaputt, sondern lernt auch mal zu warten 🙂 …

    Es wird auch oft nicht besser, nur anders. Jedes Alter bringt die Eltern mal an ihre Grenzen. Das ist ganz normal.

    Für Tipps ist man immer dankbar aber nicht für Klugscheisserratschläge!

    Lächelnde Grüße
    Melle von Seelentief

  3. Sonnenshyn sagt:

    Danke für diesen fabelhaften Text! 🙂

  4. Birgit sagt:

    Danke für diese zwei wundervollen Geschichten! <3

  5. Anonym sagt:

    Liebe Andrea,

    ich finde es immer sehr befremdlich, wenn wildfremde Menschen sich einfach das Recht rausnehmen übergriffig zu werden, nur weil man Kinder hat und anscheinend jeder einen Freibrief zum Mitreden hat.

    Man stelle sich mal vor, dass auch andere Personengruppen mit solchen "schlauen" Ratschlägen überhäuft werden. UNDENKBAR – da viel zu übergriffig. "Was erlaubt der sich denn…!"
    Aber mit Eltern scheint es anders zu sein – da gehört eine gewisse Übergriffigkeit zum "guten" Ton…

    Musste gerade mal raus, weil ich mich auch gestern gerade wieder darüber sehr geärgert habe. Danke für deine offenen Worte.

    Liebe Grüße
    Mother Birth

  6. Anonym sagt:

    Hallo Andrea,
    Ich bin schockiert, dass das noch mehr Menschen passiert. Ich hatte ein ähnliches Erlebniss! Und war/bin über die Reaktion der Mitmenschen schockiert.
    Es ist als wenn und das Muttersein abgesprochen wird!

    Ich schicke Dir ein Lächeln und liebe Grüße!

  7. Anonym sagt:

    Hallo , auch wenn ich mittlerweile Großmutter bin, kann ich nur sagen , das ist ein ganz großartiger Artikel. Was denken manche Menschen die so gedankenloses Zeug daher reden, anstatt ein liebevolles Lächeln das Verständnis bekundet zu senden. Ihr Mütter alle habt mein Mitgefühl. Ich kann mich an diese Zeit auch noch gut erinnern und wünschte mir manchmal sehnlichst mit meinem Kind unsichtbar zu sein. Ganz herzliche Grüße Erna

  8. Anonym sagt:

    Vielen Dank für diesen Artikel!Ich habe zwar (bis jetzt)"nur" 1 Kind, aber auch da kommen schon oft genug blöde Kommentare. Als wir dieses Jahr im Urlaub waren, war es besonders schlimm, weil unser Sohn (knapp2) beim Essen nicht lange still sitzen wollte und ich einfach viel mit ihm rumgelaufen bin. Ein einziges Mal hat ein älteres Ehepaar etwas Nettes gesagt und ich habe fast geweint, weil ich mich so darüber gefreut habe und auch gedacht habe: Warum sind nicht alle Leute so? Das Ehepaar hatte mitbekommen, dass unser Sohn beim Frühstück ein bisschen geweint hatte und fragte uns später, als wir sie trafen, ob denn alles wieder gut wäre. Ich sagte Ja, und es wäre halt nicht einfach mit dem Essen , weil er natürlich nicht gerne lange am Tisch sitzt usw. Da sagten sie, das wäre doch klar, es wäre ja auch nicht kindgerecht, lange still zu sitzen und man könnte ja als Kind auch mal eine "Trotzphase" haben. Sie gaben uns das Gefühl, wir würden alles richtig machen und das war einfach völlig ungewohnt!Ich frage mich manchmal, ob all die anderen, vor allem älteren Leute, die ja auch fast alle Kinder und auch oft schon Enkelkinder haben, vergessen haben, wie es bei Ihnen damals war oder ob das einfach noch die Generation war, wo die Kinder dazu "dressiert" wurden, still und regungslos am Tisch zu sitzen.
    Liebe Grüße

  9. Ella sagt:

    Meistens vermuten die Menschen, dass mein Kind müde ist und meistens haben sie mit dieser Vermutung auch recht. Aber was soll ich in dem Moment tun? Ich kanns ja schlecht an Ort und Stelle schlafen legen. Das ich mich mit dem Kind dann vorher schon versucht habe hinzulegen und es nicht wollte, heißt halt nun mal nicht, dass ich dann alle Termine für den Rest des Tages absagen kann. Aber solche Klugscheißer, ganz ehrlich? Mittlerweile zum einen Ohr rein und zum andren wieder raus. Aufregen lohnt sich da nicht!

    Liebe Grüße
    Ella

  10. Ich kenne zwar die ganze Vorgeschichte nicht, bin lediglich über facebook herüber gestolpert, aber ein paar aufmunternde Worte kann ich dir gerne dalassen. 🙂 Ich habe drei Kinder und ohne ins Detail zu gehen hatten wir u.a. krankheitsbedingt sehr, sehr anstrengende Phasen mit viel Geschrei und vor allem viel zu wenig Schlaf. Was soll ich sagen? Irgendwann wird es hinter dir liegen. Und im Nachhinein fragst du dich, wie du das bewältigen konntest. Aber es ging bzw. es geht. 😉
    LG, Anna

  11. Blumenfee sagt:

    Aus der Seele geschrieben. Danke dafür!

  12. Anonym sagt:

    Was tut es gut, zu lesen, dass es nicht nur mir so passiert ist….und noch schöner zu lesen, dass es auch Menschen gibt, die dann ganz toll reagieren!

  13. Anonym sagt:

    Vor einiger Zeit sind mein Mann und ich mit unserem 6 Monate alten Baby abends mit dem Bus nach Hause gefahren. Der Kleine war müde und das Fahren machte ihm Angst, also hat er herzzerreißend geweint. Wir haben alles versucht um ihn zu beruhigen, aber nichts half. Ein paar Reihen vor uns telefonierte ein Mann und sagte "Ich muss mal auflegen, die Eltern hinter mir vergewaltigen gerade ihr Kind. Ich muss das Jugendamt anrufen." Ich war total geschockt und habe gar nichts gesagt, aber er hat uns trotzdem minutenlang weiter beschimpft. Außerdem habe er 8 Nichten und Neffen uns von denen hätte noch NIE jemand so geschrien. Das Ende vom Lied war, dass wir einige Stationen vorher ausgestiegen sind, weil ich es nicht mehr ausgehalten habe. Ich bin sowieso eher introvertiert und hasse jegliche Aufmerksamkeit. Wann kommt der Punkt, an dem einen das kalt lässt?

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