Sie sind ja Mutter, Sie haben Zeit

Bahn fahren Berlin schwanger öffentliche Verkehrsmittel Bahn fahren mit Kleinkind

Manchmal glaube ich, allein mit den (meist schlimmen) Erfahrungen, die ich beim Bahnfahren mache, könnte ich einen ganzen Blog befüllen. Oft genug erlebe ich nämlich Nerviges oder Dreistes, dass mich dann kopfschüttelnd zurück lässt.
Der aktuellste Vorfall ereignete sich letzte Woche, und er betrübt mich auf unterschiedliche Arten. Deswegen möchte ich ausnahmsweise eben doch davon berichten.

Berlin: Kinderwagen in der Bahn

Der Kindergarten meiner Tochter ist nicht so ganz um die Ecke, deswegen fahren wir mit der Bahn. Und weil ich schwanger bin setze ich sie in den Kinderwagen. Denn klar, das Runzelfüßchen läuft gern, aber eben nicht immer. Und die Bahn ist oft voll, sie die ganze Strecke auf dem Arm halten (denn einen Platz bekommen wir sogut wie nie angeboten) schaffe ich einfach nicht.
Soweit also die Parameter: Das Kind, der Kinderwagen und ich.

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Kinderwagenplatz in der Tram

Als ich auf die Bahn zusteuerte taten das zeitgleich mit mir auch knapp 50 Kinder. Die irgendwie zu einer Turnhalle fahren wollten, begleitet von mehreren Lehrern und Lehrerinnen. Die Kids stiegen an allen Türen ein, die Lehrer_innen auch, ich hintendran. Und ja, ich wollte auch in die Bahn. Es gibt in der Tram in Berlin Plätze, die für Rollstühle und Kinderwagen mehr oder weniger reserviert sind (also für Rollstühle auf jeden Fall, und wenn keiner kommt, dann eben für Kinderwagen). Und auf genau den Platz wollte ich. Also entschuldigte ich mich den Weg hin zu dem Platz, knappe 1,5m trennten mich davon und die Menschen, die dort standen hatten auch schon Platz gemacht.

„Sie sind ja Mutter, Sie haben Zeit!“

Zwischen mir und meinem Ziel war nur noch ein Mann, der aber partout nicht aus dem Weg gehen wollte. All mein „Entschuldigung“ brachte nichts. Ich schob also ganz sanft und er drehte sich, energiegeladen zu mir um.
„Ey, jetzt ist aber gut. Sie sehen doch, dass ich hier stehe.“
„Ja, guter Mann, das sehe ich. Ich aber stehe mit dem Kinderwagen quer in der Tür und würde wirklich gern zum Kinderwagenplatz, der genau hinter Ihnen ist. Dürfte ich Sie also bitten einmal kurz zur Seite zu gehen? Danke!“
„Ey, aber das sind meine Schuhe, die dreckig werden könnten. Ihr Kinderwagen könnte sie streifen. Und überhaupt, nehmen Sie doch einfach die nächste Bahn. Diese hier ist ja voll. Und Sie sind ja Mutter, Sie haben Zeit!“
(Ich hoffe an dieser Stelle fällt euch genauso das Gesicht runter wie mir!)
„Ich glaub, es hackt!“ war meine nicht mehr freundliche Antwort und zack, schob ich ihn, noch immer geschockt, zur Seite.

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Eltern mit Kindern dürfen auch Bahn fahren

An sich fand ich diese Situation schon unangenehm, aber als ich dann bemerkte, wie die Kinder um mich herum uns anstarrten, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Dieser Typ war ihr Lehrer! Und die Kids genauso schockiert wie ich! Auf meine patzige Antwort gab es Applaus von Einigen. Das war nicht beabsichtigt, aber es fühlte sich immerhin gut an, dass ich mit meiner Meinung nicht allein war.
Das Runzelfüßchen hat meine Aufregung natürlich auch mitbekommen. Stimmungsschwankungen bei ihren Eltern verunsichern sie schnell. Sie fragte also „Alles ok, Mama?“ und ich antwortete wahrheitsgemäß, dass ich mich über den Mann gerade sehr aufgeregt hätte, weil er uns keinen Platz machen wollte. „Runzi auch Bahn fahren:“ sagte sie darauf. Richtig Kind, wir dürfen auch Bahn fahren. Und ich habe meine Zeit auch nicht irgendwo gestohlen. Diese Dreistigkeit, Müttern zu unterstellen sie hätten Zeit und müssten eben nicht arbeiten oder Termine einhalten, das macht mich noch immer sprachlos und wütend.
Genauso wie das Bild von Latte Macchiato Müttern, aber das ist wieder ein anderes Thema. Klar gibt es Mütter die viel Zeit haben, die sich die Zeit nehmen und die volle Bahn fahren lassen. Es sei ihnen mit jeder Faser meines Herzens gegönnt.
Bei mir war das aber nicht der Fall. Ich bin vielleicht von Natur auch streitbarer als andere, aber solche Frechheiten will ich mir nicht bieten lassen.

Lehrer vermittelt falsches Weltbild

Was mich aber ebenfalls schockiert hat: Diese Meinung wird von einem Lehrer vertreten. Von einem Menschen, dem meine Tochter in wenigen Jahren vielleicht gegenüber sitzt. Und der dann all das, was wir Eltern unserem Runzelfüßchen bis dahin vermittlen, dass Männer und Frauen eben gleichberechtigt sind, versuchen wird zu erschüttern. Denn in Sätzen wir „Sie sind ja Mutter, Sie haben Zeit“ steckt ja auch drin, dass Frauen weniger arbeiten, weniger leisten und vielleicht weniger wert sind.
Der Vorfall ist nun eine Woche her und nach wie vor habe ich damit meinen Frieden nicht gemacht. Ich möchte dem doch recht jungen Lehrer der mir diese Dreistigkeit an den Kopf warf gern folgendes auf den Weg geben, denn ich glaube mein „es hackt“ war nicht deutlich genug.
Lieber Lehrer, Sie sind ein frauenfeindliches, sehr rückschrittiges Arschloch!

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7 Antworten

  1. Julia sagt:

    Dass der Mann Lehrer ist, schockiert mich jetzt ziemlich. Nach der Schilderung bin ich erst davon ausgegangen, dass der um seine Schuhe besorgte Typ der typische Vertreter der beruflich erfolgreichen Managerschnösel ist, kinderlos und schon etwas älter (was die rückständigen Geschlechteransichten zwar nicht entschuldigen, aber zumindest erklären würde). Nicht toll, aber solche Menschen gibt es eben, gerade in Berlin. Aber ein Lehrer, der nicht nur Vorbild sein soll, sondern auch regelmässig Kontakt mit Müttern aller Art hat? Da sollte man doch wirklich ein etwas aufgeschlosseneres Verhalten erwarten dürfen! (Abgesehen davon dass ich nicht meine besten Schuhe anziehen würde, wenn ich mit einer Horde Kinder unterwegs bin.) Die Vorstellung, dass solche Typen mein Kind unterrichten, macht mir echt Bauchschmerzen!

    LG, Julia

  2. Sqirrel sagt:

    Mir passieren solche Dinge komischer Weise nie in Berlin, dafür aber ständig in Potsdam. Letztendlich ist die Stadt ja auch wurscht,solche Arschgeigen gibt's ja überall.
    Ich finde es sooo sooo klasse wie du reagiert hast. Die meisten meiner Mitmütter berichten mir dann ja eher das es IHNEN peinlich war, oder das es ihnen so unangenehm war das sie ausgestiegen sind oder das sie lieber nix gesagt haben… Ich habe auch bis zum dritten Kind gebraucht und vermutlich einfach ein Müdigkeitslevel von 1200 erreichen müssen um nicht mehr höflich klein bei zu geben. Mein Standardspruch ist inzwischen "Dieser Platz ist für Rollstühle und Kinderwagen, sie sehen wie keins von beiden aus also machen Sie mir bitte Platz." Wenn sich dann keiner bewegt fahre ich denen einfach in die Beine. In fast allen Situationen bin ich von Mitfahrenden oder dem Busfahrer unterstützt worden.

  3. Anonym sagt:

    Orrr, ich bin gerade so sauer! So ein Arsch! Ich hasse Bus und Bahn fahren mit Kindern bzw. Kinderwagen – nirgendwo sonst begegnet man so furchtbaren rücksichtslosen, verbitterten und egozentrischen Menschen wie dort!!! Und ich bin leider auch immer nicht schlagfertig genug – doch das wird immer besser, da ich leider (!) immer mehr Übung darin bekomme.

  4. rage sagt:

    Wow! Das ist unglaublich. Unfassbar. Mir hängt die Kinnlade immer noch irgendwo auf dem Küchenboden. BTW: Es ist 21:37 und ich komme jetzt erst in den Feierabend, nachdem ich heute Morgen zeitig mit den Kerlen aufgestanden bin.

    Das ist so eine Unverschämtheit… Und ich bin unglaublich froh, dass du in der Situation überhaupt was gesagt hast. Ich bin viel zu… nett. Ich arbeite daran, auch freundlich zu mir zu sein und andere auf ihre Fehltritt aufmerksam zu machen. Aber sowas geht nicht im Nachhinein. Irgendwie trainiere ich mir eine gehörige Portion Schlagfertigkeit an. Sehr gut klappt das noch nicht. Zum Glück passieren mir solche Dinge nicht allzu oft.

    Boar, ich flippe aus. Danke, dass du deinen Platz in Anspruch genommen hast.

  5. Also nein. Grrrr. Ich könnte dem aber sowas von eine Latschen. Sorry. Du hast richtig reagiert. Hier in DD gibt es sowas oft. Deswegen nutze ich seid Kind5, 18 Monate ist keinen Wagen mehr. Ist mir zu blöd. Das ständige bitten. Diese Fahrradfahrer sind am schlimmsten. Bei Regen/Schnee/Eis sag ich nichts aber bei normaler Witterung eine Frechheit.

  6. Unglaublich! Ich finde, du hast super reagiert. Und dass er sogar vor seinen Schülern ein solches Verhalten an den Tag gelegt hat, finde ich einfach nur peinlich!

  7. Edelnickel sagt:

    Auch ich bin baff. Nicht nur wegen der arroganten Reaktion dieses Volldeppen, de leider eine zunehmende Kinderfeindlichkeit generell widerspiegelt. Auch und gerade, weil das ein Lehrer war, der Kindern doch eigentlich etwas anderes vermitteln soll! (Wobei, dass auch Lehrer Arschlöcher sein können ist mir seit der eigenen Schulzeit, spätestens aber seit dem Kennenlernen einiger Lehramtsstudenten bewusst. Was für Nasen da so sitzen, da hofft man wirklich, dass die nie eine Anstellung finden, wo sie wirklich etwas mit Kindern zu tun haben.)

    Mir ist neulich etwas passiert, an das ich durch deinen Beitrag erinnert wurde, weswegen ich das gleich mal aufgeschrieben habe. Du bist also nicht allein. Schade eigentlich, dass es genug Pappenheimer gibt, um damit ganze Blogs zu füllen…

    Du hast aber super reagiert und dafür hebe ich de imaginären Hut.

    Liebe Grüsse aus der Blognachbarschaft!

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