Momente mit Baby und Kleinkind
Wie die regelmäßigen Leser_innen dieses Blogs wissen habe ich, formulieren wir es mal positiv, ein Händchen für schräge Begegnungen mit anderen Menschen. Woran das liegt kann ich nur erahnen, aber da sie sich in letzter Zeit wieder mal häuften will ich von einigen berichten. Dabei sind sowohl schreckliche, aufregende wie auch schöne.
„In dem Alter ist mein Sohn gestorben“
Ich fuhr mit Herrn Annika Bahn, das Runzelfüßchen vom Kindergarten abholen. Ich stieg ein, das Baby in der Trage und setzte mich auf einen freien Platz. Mir gegenüber saß ein Mann, der sich sofort interessiert dem Baby zuwendete. So weit, so normal. Dann aber sagte er, ohne irgendeine Begrüßung: „Als mein Sohn in dem Alter war ist er gestorben!“
Puh, zack, das saß. Ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Denn einerseits sah ich die tiefe Trauer in dem Mann, die ihn vielleicht sogar jedes Mal überkommt wenn er so nah bei einem Baby sitzt. Andererseits war ich getroffen. Wie kann dieser Mensch es wagen und mir Mutter mit Neugeborenem so was sagen?
Erfahrungen mit Menschen in der Bahn
Der Mann muss gespürt haben, was in mir vorging, oder er hatte diese Reaktion schon öfter gesehen, jedenfalls setzte er zu einer Erklärung an. Er hätte noch zwei Töchter, sein Sohn sei vor über 30 Jahren gestorben, damals, in der DDR hätte es noch nicht die pediatrischen Möglichkeiten gegeben wie heute. Er hätte seinen Sohn abends ins Bett gelegt und am nächsten Morgen war er verstorben. Lange zeit sei er von der Polizei als Kindsmörder verdächtigt worden. Mir grauste es bei seinen Erzählungen, aber ich wollte mich auch nicht wegsetzen. Also hörte ich zu und streichelte Herrn Annika immer wieder über den Rücken. Ich sagte nichts, was hätte ich auch sagen sollen.
Baby brüllt in der Bahn
Auf der Rückfahrt am gleichen Tag (ich schien einen Lauf zu haben) fing Herr Annika in der Trage an zu brüllen. Es war ihm zu warm, nehme ich an. Das Runzelfüßchen wollte von ihrem Tag erzählen und war schlecht gelaunt, weil ich eben erst ihren Bruder versorgen musste.Also brüllte sie in der Bahn. Keine schöne Situation, das verstehe ich, aber ich glaube, dass für jeden Außenstehenden klar war: Die Frau hat gerade genug mit sich und ihren Kindern zu schaffen, da nerven wir mal nicht auch noch. Bis sich dann ein junger Mann, Mitte 20, muskelbepackt, aufdringlich parfümiert und mit Kopfhörern zu uns setzte. Und anfing rumzumaulen, dass ich doch mal bitte dafür sorgen solle, dass das Geschrei aufhört. Es wäre ätzend und er könne keine Musik hören.
Kinder beruhigen – da gibt es keinen Knopf
Ihr ahnt sicher, wie leid es mir tat, dass der Typ nicht seine Lieblingssongs hören konnte, während ich zwei brüllende Kinder unter den Blicken Aller zu beruhigen versuchte. Deswegen tat ich, was ich in in Extremsituationen immer tue und ergriff das Wort. Ich ließ meine Aggressionen gegen Menschen, die keine Kinder mögen und so absolut kein Verständnis für die aktuelle Lage, in sehr deutliche Worte fließen. Die waren nicht für Kinderohren gedacht, aber so war es nun mal. Denn ehrlich, was ich ganz sicher nicht brauchte, war ein Mensch der mir erklärte, dass das ja ganz einfach sei mit dem Kinder beruhigen. Und er ja schließlich keine Kinder wolle, meine also auch nicht ertragen möchte.
Nicht ärgern lassen
Am Ende meiner Schimpftriade, die mir übrigens nach wie vor nicht peinlich ist, nannte mich der Typ „verspannte Alte“ und wenn nicht just in dem Augenblick unsere Haltestelle dran gewesen wäre, ich weiß nicht, was mir dann noch eingefallen wäre. So aber stieg ich aus, nahm die inzwischen besänftigten Kinder (was ich nebenbei ja auch noch im wahrsten Sinne des Wortes geschaukelt hatte) und ging ein Eis essen.
Stillen beim Arzt
Ein besonders wunderbares Erlebnis aber hatte ich beim Arzt. Ich muss ja doch recht regelmäßig irgendwo vorbei schauen, weil alle mir helfen wollen, was toll ist. Herr Annika also bekam im Wartezimmer Hunger, ich stillte ihn. Als ich zur BH-Öffnung griff, bemerkte ich, wie eine ältere Frau mich pikiert anstarrte und dann natürlich ausholte: „Iiiiih, muss das sein?“ fragte sie angewidert. Noch bevor ich nach Luft schnappen konnte, um ihr eine passende Antwort zu geben, kam mir ein junger Mann zuvor. Der ca. 16-Jährige blinzelte die Frau an und meinte „Ja, muss es. Stell dich nicht so an.“ Und zwinkerte mir zu.
Solange ich auch solche Erlebnisse habe, gehe ich auch weiter vor die Tür, versprochen. Obwohl ich auf das ein oder andereZusammentreffen wahrlich gut verzichten könnte.
Erlebt ihr auch so schräge Sachen?
Ja, tatsächlich, am Montag erst in der Uni. Eine ältere Frau sprach mich an, Jakob war in der Trage bei mir, und fragte, ob es ein Junge wäre. Ich bejahte dies und sie meinte: "Ich hoffe, der kommt auch mal ab und zu in den Kinderwagen ja, denn Sie müssen ja dran denken, die Geschlechtsteile und so, das ist nicht gut. Denken Sie an später!" … Berlin, du und deine Bewohner 🙂
Wir haben auch solche herzerwärmenden Begegnungen…! Mit Beginn der Elternschaft (eigentlich schon mit Beginn der Schwangerschaft) scheint man allen fremden Menschen die uneingeschränkte Erlaubnis erteilt zu haben, sein Leben ungefragt zu kommentieren.
Jetzt in der 2. Schwangerschaft erinnere ich mich wieder, dass auch schon damals beim 1. Kind die absurdesten Fragen gestellt wurden (die man nicht-Schwangeren nie stellen würde!), die jetzt wieder entweder fremde Menschen oder entfernte Bekannte/entfernte Verwandte an mich richten: "Und, wie viel hast du bisher zugenommen/was wiegst du jetzt?" "Habt ihr jetzt noch Sex?" (Wtf???) usw…. :-O war das bei dir auch so??
Liebe Grüße, Jasmin