Von Lesermails
Immer mal wieder schwappt mein berufliches Leben ins Private über. Das passiert zum einen, wenn ich eben über unser Familienleben öffentlich schreibe, zum anderen aber, wenn ich etwas veröffentliche, was auf Kritik stößt. Und genau darüber will ich heute berichten, obwohl ich mich natürlich gleichzeitig frage, ob das so eine gute Idee ist. Denn im Zweifelsfall zieht das nur weitere ungebetene Mails nach sich.
Samstag, 01. April 2023
Das Wochenende beginnt mit… Arbeit am neuen Buch. Ich kann noch nicht wirklich was zeigen, das hier ist die Sneak Peak die ich mir jetzt einfach mal selbst erlaube mit euch zu teilen. Aber soviel kann ich sagen: Das Buch ist in den letzten Zügen und ich freue mich sehr drauf, wenn ich und ihr es endlich in Händen halten könnt. Es steckt wirklich viel Arbeit und Recherche darin und ich hoffe, dass es ganz vielen von euch eine Erleichterung verschaffen kann.
Gesundheitlich bin ich etwas angeschlagen, weswegen ich nicht ganz so schnell mit den Korrekturen voran komme wie erhofft. Aber ich übe mich im Annehmen der Situation. Wie eben auch in der Tatsache, dass seit Freitag früh auf allen Kanälen (meist per Mail, aber durchaus auch per DM in den sozialen Medien) Nachrichten von Männern eintreffen, die meine Kritik zu „Nuhr im Ersten“ nicht gut fanden. Das ist an sich vollkommen ok, jede*r darf anderer Meinung sein. Nur ist es, ihr könnt es euch sicher denken, nicht so, als würden diese Männer nur sagen wollen: Ich sehe das ein bisschen anders als Sie, schauen Sie, das hier ist mein Standpunkt, da gehe ich mit, da weiche ich ab, das haben Sie vergessen zu betrachten … Nein, die Mails sind sich oft sehr ähnlich: Der Inhalt ist immer: Sie sind dumm/ Sie haben keine Ahnung / Wie bist du bloß an den Job gekommen / heute darf auch jeder schreiben / Schreiberlinge wie du sind das letzte …
Mit der Zeit habe ich gelernt, das nicht alles an mich ranzulassen. Es bleibt ja auch nichts anderes übrig. Antworten lohnen sich auf solche Mails nicht. Lachen, ja, das ist ein Mittel und natürlich ist es lächerlich, dass mir Männer schreiben, ich solle lieber Kochbücher schreiben, als u.a. für den Stern. Klar ist das patriachale Scheiße, von wegen Frauen an den Herd. Auch den Vorwurf, ich würde ja eigentlich gern Jan Böhmermann heiraten wollen, finde ich witzig. Aber braucht es diese Mails? Und all die mit den vielen Ausrufezeichen und dem „Haben Sie das endlich begriffen?“ und den Beleidigungen, die braucht es auch nicht.
Eigene Erwartungen bestätigt bekommen
Ich weiß natürlich, dass solche Mails häufig von Menschen geschrieben werden, die mit ihrem eigenen Leben nicht besonders zufrieden sind. Dass diese Männer (es sind wirklich zu 99 % Männer) vor allem sauer sind, weil jemand eine andere Meinung hat als sie. Was ist das eigentlich für eine Erwartung an Journalist*innen? Wer setzt sich denn hin, liest einen Text nur unter der Voraussetzung, dass das eigene Weltbild bestätigt wird? Wofür braucht es dann noch Journalismus? Dann sind wir doch genau da, wo Leute immer von gleichgeschalteten Medien sprechen. Dann gibt es keine Vielfalt, dann gibt es nur noch das Widerkäuen der immergleichen Gedanken. Ich persönlich lese Artikel, Reportagen, Kritiken aber vor allem, weil ich meinen Horizont erweitern will. Weil ich was Neues entdecken will, einen Gedanken der mir selbst noch nicht kam, eine Kleinigkeit, die ich gar nicht wahrgenommen habe. Ich verstehe den Gedanken: Ich lese etwas und erwarte, dass es zu 100 % meine Meinung ist, per se schon nicht.
Warum schreiben diese Menschen
Was ich vermutlich auch nie nachvollziehen werde, ist, warum sich überhaupt jemand hinsetzt um jemand anderem zu schreiben: Deine Meinung ist scheiße und ich habe Recht. Also natürlich verstehe ich den Sinn hinter Leser*innenpost, wen es eben um Austausch geht. Aber nicht, wenn es nur darum geht, das Gegenüber zu beleidigen, klein zu machen, mit Worten niederzubrüllen. Das ist nie ein Diskussionsangebot, das würde ich noch nachvollziehen können, denn natürlich sind wir unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Meinungen und selbstverständlich muss niemand mit mir in allem übereinstimmen. Es sind aber immer absolute Meinungen die mich entpersonalisieren oder degradieren oder persönlich angreifen. Und es sind viele.
Während ich das hier schreibe, denke ich: Eigentlich ist das nicht besonders schlau, das überhaupt zum Thema zu machen. Denn im Zweifelsfall zieht das nur noch mehr Mails nach sich. Auch das habe ich in der Vergangenheit schon erlebt. Und es ist auch nicht so, als wären es diesmal die schlimmsten Mails die ich jemals bekommen habe. Da gab es schon andere. Aber es zeigt eben, und das will ich mit euch teilen, was gerade Frauen im Journalismus aushalten müssen. Was oft genug unsichtbar bleibt, denn wer öffentlich darüber spricht, exponiert sich noch mehr.
Leserpost ist auch Gefahr für die Gesellschaft
Solche massiven Anfeindungen können zur Folge haben, dass Frauen sich aus dem Journalismus verabschieden. Oder sich dreimal überlegen, sich zu Themen zu äußern. Genau das macht unsere Gesellschaft aber kaputt. Wir brauchen die Vielfalt in der Debatte, wir brauchen neue Denkanstöße und Kontroversen. Wie oft lese ich den Ruf danach, dass marginalisierte Gruppen sich zu Wort melden sollen. Wer will sich dann aber dem aussetzen, was danach folgt (über die Barriere, die überwunden werden müssen, um sich überhaupt zu Wort melden zu können, könnten wir selbstverständlich auch mal sprechen!)
Natürlich gibt es auch männliche Kollegen, die solche Mails bekommen, aber wann immer ich mit Journalisten spreche, berichten sie von einer anderen Qualität. Da geht es eben nicht ums persönliche, da wird nicht angezweifelt, dass sie richtig in ihrem Job wären, da bleibt es in den meisten Fällen auf der Sachebene, dass jemandem dieses oder jenes nicht gefallen hat.
Generell ist diese Anspruchshaltung, dass manche Leser*innen nur ihre eigene Meinung gespiegelt bekommen möchten aber extrem schädlich für unsere Gesellschaft. Was mich aber interessieren würde: Habt ihr schon mal Leser*innenmails verschickt? Wenn ja, mögt ihr erzählen worum es ging? Und sollten Journalist*innen mitlesen? Wie sind eure Erlebnisse? Ich meine es ernst wenn ich sage: Auf diese Nachrichten freue ich mich.