#1SatzInterview … mit Katia Saalfrank
Ich freue mich SEHR, dass ich für die zweite Ausgabe vom #1SatzInterview Katia Saalfrank gewinnen konnte. Ich gebe zu, als ihre Sendung „Die Supernanny“ vor Jahren im Fernsehen lief war ich selbst noch fast ein Kind (das lässt mich jetzt sehr viel jünger wirken als ich bin), auf jeden Fall hat mich das nicht interessiert.
Was mich aber heute sehr wohl interessiert: Wie machen andere das, dieses Leben mit Kindern. Und welche Tipps und Tricks gibt es, die man sich vielleicht abschauen oder auch zu Herzen nehmen kann?
Katia, die heute eine eigene Praxis in Berlin hat, schreibt auch Bücher rund ums Thema Kinder. Ihr aktuelles, „Was unsere Kinder brauchen“ steht hier auch im Regal und ich glaube mein absoluter Herzenstipp ist folgender:
„Kinder sind Teamworker. Sie wollen uns Eltern generell gefallen und mir uns zusammenwirken. So sehr, dass sie oft sogar ihre eigenen Bedürfnissen hintanstellen. Kinder sind also nicht auf Kampf aus – wie oft behauptet wird – , sondern absolut loyal uns Eltern gegenüber“
(aus: Katharina Saalfrank, „Was unsere Kinder brauchen“, GU Verlag, S. 171)
Liebe Katia, wir kennen uns vom Bepanthen-Event, bei dem wir über eine Studie sprachen, derzufolge Kinder heute unter erheblichem Stress leiden. Der Stress kommt auch davon, dass wir Eltern zuviele Termine für unsere Kinder machen. Hast du einen Rat für Eltern?
Ein Rat gebe ich ungerne, ich kann aber sagen, dass es wichtig ist, dass Kinder in die Terminplanung miteinbezogen werden, denn die Studie hat gezeigt, dass nicht die Masse an Terminen das Problem für Kinder darstellt, sondern das Gefühl der Kinder, dass es nicht „ihre eigenen“ Verabredungen sind.
Wie schaffen Eltern es das Leben mit Kindern entspannter anzugehen und Stress zu verhindern?
Es gibt ja positiven und negativen Stress und wichtig empfinde ich, dass wir das Tempo der Kinder berücksichtigen, die individuellen Wünsche und auch immer wieder achtsam sind, wenn Kinder Signale senden!
Wieso sagen Kinder nicht einfach „Stopp“ wenn ihnen alles zuviel wird? Kleinkinder können das doch hervorragend.
Alle Kinder sagen sehr deutlich „Stopp“, wir Eltern können oder wollen das dann oft nicht wahrnehmen, wir Erwachsenen achten ja auch häufig nicht auf die Zeichen, die uns Körper und Geist senden – um so wichtiger, dass wir achtsam sind und Auffälligkeiten, wie Schlafstörungen, Reizbarkeit und das Verhalten der Kinder insgesamt beachten.
Apropos Kleinkinder: Hast du einen Tipp wie Eltern von kleinen Kinder gelassen bleiben?
Gelassenheit ist vor allem eine Frage der Haltung, denn wenn wir durch den Tag hetzen und unsere Kinder in dieser Weise mit durch unseren Alltag nehmen, dann kann sich kaum Gelassenheit einstellen – wenn wir jedoch immer wieder Zeit zum durchatmen einplanen und uns bewusst werden, dass Kinder nicht gegen uns, sondern sehr gerne mit uns wirken und dass es (immer) gute Gründe für eine Verweigerung gibt, können wir auch eine Gelassenheit entwickeln.
Worum geht es in deinem Buch „Was Kinder brauchen“?
Es geht um einen bindungs- und beziehungsorientierten Umgang mit unseren Kindern und darum grundlegende Werte, die wir in die konstruktive Beziehung zur Kindern wie einen Kompass zu Grunde legen und einfließen lassen können, diese sind Achtsamkeit miteinander, Verantwortung übernehmen, echte Wertschätzung leben, Vertrauen als Grundlage, Dialog statt Monolog und ein lebendiges vertrauensvolles Miteinander, statt mit Machtkämpfen agieren.
Was genau brauchen unsere Kinder denn?
Kinder brauchen keine Erziehung im herkömmlichen Sinne, in der sie mit allen Mitteln an ein von Erwachsenen gewünschtes Verhalten angepasst werden, sondern eine konstruktive Beziehung, in der sie mit ihren Anliegen und Sorgen gehört und ernstgenommen fühlen.
Wenn du nur einen Tipp für das Leben mit Kindern geben dürftest, welcher wäre das?
Wir können uns bemühen, unsere Kinder besser verstehen zu wollen, in dem wir ihre Gefühle und emotionalen Bedürfnisse und ihre individuelle Entwicklung besser „lesen“ lernen – hier gibt uns die Entwicklungspsychologie, die Säuglings- und Bindungsforschung und auch die Evolutionsbiologie und die Hirnforschung ganz wesentlichen Aufschluss.
Was macht in deinen Augen eine glückliche Kindheit aus?
Wenn wir als Kinder die Möglichkeit haben, in einem wertschätzenden, liebevollen und zugewandten Kontakt zu unseren Eltern unsere Gefühle und Bedürfnisse kennenzulernen, dann haben wir nicht nur ein „glückliche Kindheit“, sondern auch die besten Chancen ein glückliches Leben insgesamt zu führen.
Gewalt, körperliche oder seelische, sind in der Erziehung ein absolutes No Go. Was ist für dich auch ein Tabu?
Es ist schwierig mit „Tabus“ Drohgebärden aufzubauen, denn ich kenne kein Elternteil, welches nicht das Beste für sein Kind möchte – manchmal ist eine intensive Beschäftigung mit der eigenen Kindheit notwendig um gut für die eigenen Kinder da sein zu können.
Was gehört zum Leben mit Kindern in deinen Augen unbedingt dazu?
Auf jeden Fall viele große und kleine Rituale, dann eine Lebendigkeit und natürlich auch Konflikte, die wertschätzend gelöst und als Entwicklungsmotoren gesehen und nicht als notwendiges Übel vermieden werden wollen.
Oft sind wir Eltern ja auch von den äußeren Umständen in denen wir leben (Familie weit weg, keine Ansprechpartner vor Ort) genervt und gestresst. Hast du einen Tipp wie man trotzdem seinen Weg gehen kann und sich dabei nicht verloren fühlt?
Wenn wir einen guten Zugang zu unseren eigenen Bedürfnissen und Gefühlen haben, können wir die Überlastung wahrnehmen und dann auch reagieren, Austausch ist aus meiner Sicht ganz wichtig, deshalb habe ich vor einem Jahr die Familienwerkstatt KinderBesserVerstehen gegründet, wo ich Eltern im Alltag bindungs- und beziehungsorientiert über lange Zeiträume begleite und bestärke, hier wird deutlich, wie wichtig es ist, mit seinen Sorgen und Nöten nicht alleine zu bleiben, sondern sie mit anderen zu teilen.
Warst du mit deinem Latein auch schon mal am Ende? Was macht man, wenn man gefühlt nicht mehr weiter weiß?
Na klar – ich hatte nur ein halbes Jahr Latein in der Schule 🙂 insofern bin ich schnell mit meinem Latein am Ende, allerdings empfinde ich die Ratlosigkeit, die wir Eltern manchmal verspüren als einen wichtigen Raum, um Neues zu beginnen und auszuprobieren, wir können so verhindern, dass wir von der Ratlosigkeit in eine Hilflosigkeit fallen und dort verharren!
Das Beste an Kindern ist …
ihre unglaubliche Offenheit, Unvoreingenommenheit und die ungebremste Konzentration etwas erreichen zu wollen, gepaart mit der Entdeckerlust und ihrer Neugier, außerdem die Lebendigkeit und die Art und Weise, wie sie die Welt begreifen und uns Erwachsenen dadurch unsere oft fertige Welt immer wieder durch neue Augen bunter und neu werden lassen!
Wer möchte kann sich bei Katia auch über eine Ausbildung zum bindungs- und bedürfnisorientiere Eltern- und Familienbegeleiter informieren.
Welche Frage, die ich nicht gestellt habe, hätte euch noch interessiert? Und zu welchem Thema würdet ihr gern mal ein #1SatzInterview lesen?
(c) Fotos: Verlag GU