Papa bloggt: Müssen Kinder höflich sein?

Republica 17

Eines kann ich schon vorweg schreiben: Herr Annika ist erst ein Jahr alt und muss noch nicht höflich sein. Wie denn auch, er kann ja noch gar nicht richtig reden. Aber irgendwie stimmt das nicht ganz: er sagt zwar noch nicht „danke“ und „bitte“, aber er soll auch nicht der Katze unhöflich am Schwanz ziehen oder seiner Schwester das Spielzeug wegnehmen. Sachen wegnehmen gilt nirgendwo und in keinem Alter als höflich. Ich meine eher den Umgang mit anderen Menschen und auch sogenannte Höflichkeitsfloskeln wie danke und bitte. Ist das überhaupt wichtig und sollte ich bei meinen Kindern darauf achten?

Die Familie im Treppenhaus

In unserem Haus wohnt eine Familie, die nicht besonders freundlich ist. Eine typische Begegnung mit dieser Familie sieht wie folgt aus: meine Tochter und ich gehen im Hausflur die Treppe runter. Zuerst kommt uns das erste Kind der Familie entgegen, etwas 12 Jahre alt. Das Runzelfüßchen und ich sagen „Guten Morgen“, aber das Kind schaut uns mit leeren Augen an. Dann kommt das jüngere Geschwisterkind uns entgegen, ca. 10 Jahre alt. Es sagt auch nichts auf unsere Begrüßung. Dann kommt die Mutter als letztes die Treppe hoch. Aber von ihr hören wir natürlich auch keine Antwort auf unser „Hallo“. Wir hatten nie eine Streit, nie ein böses Wort miteinander gesprochen. Eher im Gegenteil, wie haben Pakete für unsere Nachbarn entgegengenommen. Die Tür aufgehalten, wenn sie gleichzeitig aus dem Haus oder hineingingen. Wir leben seit fast 10 Jahren im gleichen Haus, aber „zurückgrüßen“ geht nicht. Ich dachte sehr lange, wir hätte einmal etwas falsch gemacht. Irgendwann wurde mir klar: das ist einfach eine unhöfliche Familie. Und so wollte und will ich nie sein.

Unhöflichkeit macht einen schlechten Eindruck

Das Leben ist zu kurz, um sich über jeden Menschen zu ärgern, der nicht grüßen kann. Was ich in dem Zusammenhang schade finde: ich finde die zwei Kinder unsympathisch (und die Mutter sowieso), weil sie meines Erachtens unhöflich sind. Auch wenn die Mutter und die Kinder miteinander herzallerliebst wären und sie beim näheren Kennenlernen sehr nett wären: Das Nicht-Grüßen macht sie für mich auf Anhieb unerträglich. Ich möchte sie gar nicht kennen lernen. Aber es gibt ja auch Situationen, in denen ich mit anderen Menschen vielleicht aneinander gerate.

Müssen Erwachsene höflich sein?

Viele Menschen beklagen die Verrohung der Sitten, die Agressivität untereinander. Auf diesem Blog konntet ihr auch schon einige Geschichten hören. Menschen, die schwangeren Frauen keinen Platz in der Straßenbahn machen, Leute, die sich über Kinderwägen aufregen. Mir fällt es auch manchmal leicht, mich über andere Menschen zu ärgern. Aber meine Tochter guckt weniger darauf, wie sich andere Menschen verhalten. Sie schaut, wie ICH mich verhalte. Wie reagiere ich auf Menschen, die nicht nett sind. Wie rede ich mit VerkäuferInnen im Supermarkt oder beim Bäcker? Wie streite ich mich mit meiner Frau? Es mag wichtig sein, dass Kinder „Höflichkeit“ lernen, aber viel wichtiger ist doch, wie ICH mich verhalte. Motze ich mit anderen Menschen, weil sie mir Vorfahrt genommen habe? Schimpfe ich wie ein Kesselflicker, wenn ich im Auto sitze?

Fluchen als Radfahrer

Im Moment ist in Berlin Fahrradsaison. Jeder, der irgendwie kann, verzichtet auf die öffentlichen Verkehrsmittel oder Auto und fährt Rad. Aber ganz konfliktfrei bleibt das nicht. Als Radfahrer kommt man ganz automatisch in Situationen, die man als gefährlich oder ärgerlich betrachtet. Wenn ich vor ein paar Jahren noch ohne Kind radgefahren bin, habe ich auch manchmal ganz schön geflucht. Wir wissen alle, dass Beschimpfungen auch bestraft werden können, aber das war mir egal. Wer öfters in Berlin auf den Straßen unterwegs ist, weiß, was ich meine. Aber mit dem Runzelfüßchen unterwegs, kann ich da auch Leute beschimpfen? Natürlich nicht. Als wir letztens in eine Situation gekommen sind, in der ich mit dem Fahrrad eine Vollbremsung machen musste, schrie ich nicht einfach irgendwelche Beschimpfungen, sondern sagte dem Fahrer sowas wie „Das war nicht cool eben.“ Und was machte der Fahrer: er entschuldigte sich. Das Runzelfüßchen war danach sichtbar beeindruckt, dass sich der Fahrer dafür entschuldigt hat.

Es ist manchmal einfach, seine Kinder an ein „Danke“ und ein „Bitte“ zu erinnern. Aber ich glaube, dass es wichtiger ist, dass ich selber höflich bin. Wenn meine Kinder nicht von mir Respekt, Toleranz und Wertschätzung von anderen Menschen lernen können? Von dem denn sonst?

Wie geht ihr mit „Höflichkeit“ in der Erziehung um? Versucht ihr eure Werte vorzuleben?

Das könnte dich auch interessieren …

Eine Antwort

  1. Anonym sagt:

    Natürlich muss man seine Werte vorleben. Unsere Tochter ist zwei und hat zum Beispiel "Bitte", "Danke", "Gesundheit" und "Entschuldigung" allein dadurch gelernt, dass sie es bei uns abgeschaut hat. Sie ist aus sich selbst heraus freundlich, weil der Umgang in unserer Familie freundlich ist und sie es für sich so übernimmt.
    Viele Grüße
    Peter

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert