Papa bloggt: Die Tragetuchpolizei hat ihr Opfer gefunden

Runzelfuesschen Elternblog Tragetuch Vater traegt Baby im Tragetuch

Beim Babytransport scheiden sich die Geister. Während die einen gerne mit dem Kinderwagen ihre Runden ziehen, kommt für die anderen nur das Tragetuch in Frage. Teilweise wird auch tatsächlich in verschiedenen Lagern gedacht, je nach Kinderwagenfabrikat sind die einen die „Kinderwagen-Hipster“ und die anderen sind „Tragetuch-Ökos“. Ich musste letztens selbst erleben, dass es im Tragetuch-Universum zusätzlich noch die Tragetuchpolizei gibt. Und diese Erfahrung war nicht schön.

Nicht alle Kinder mögen den Kinderwagen

Herr Annika fährt nicht gerne Kinderwagen – das konnten wir schon feststellen. Seine Schwester mochte beides gerne: Getragen werden und den Kinderwagen. Daher sehe ich das Thema eher pragmatisch. Weil wir mit unserem Kinderwagen theoretisch noch einen den Wochenendeinkauf  transportieren konnten/könnten, habe ich beim Runzelfüßchen lieber den Wagen zum einkaufen genommen. Meine Tochter schlief als Baby meist selig in der Babyschale und ich konnte den Großeinkauf erledigen.  Ansonsten war ich oft lieber tragend unterwegs, denn ich fand es praktischer und auch schöner, mein Baby nahe an mir zu tragen.

Das Tragetuch ist im Moment die gängige Transportweise

Warum also das Tragetuch? Das hat eigentlich primär mit dem Baby zu tun. Denn Herr Annika mochte bestimmte Tragesysteme nicht. Da Andrea selbst das Tragetuch ausprobiert hat, um sich und dem Baby gerecht zu werden, konnte ich es auch mal ausprobieren. Ich war am Anfang eher skeptisch und dachte, so ein Tragetuch ist voll kompliziert. Aber eine Freundin von Andrea (und Tragetuchberaterin) kam bei uns zu Hause vorbei, erklärte uns das richtige Binden und seitdem bin ich praktisch überzeugt. Aber es bleibt mir auch nicht viel anderes übrig. Herr Annika mag Tragesysteme nicht. Manchmal gucken eher ältere Menschen ein wenig komisch auf uns, aber das bin ich schon durch das Runzelfüßchen gewöhnt.

Die Tragetuchpolizei 

Wir waren also letztens in Hamburg auf dem Attachment Parenting Kongress. Vorher mussten wir noch mit der S-Bahn hinfahren. Dabei muss man sagen (und Tragetuch-Benutzer kennen das vielleicht): das Tuch war schon ein wenig locker. Herr Annika weiß nämlich jetzt, wie er sich im Tragetuch hin- und herbewegen kann. Zum nachbinden war mir im S-Bahn-Trubel nicht zu Mute – also musste ich hin- und wieder meinen Sohn ein wenig zurecht“zuppeln“, damit er wieder richtig saß. Plötzlich kam von der Seite eine Frau an und zog an meinem Baby rum. „Kann ich mal kurz?“ Das „ich kann das schon selber“ wurde mit einem „ich bin Tragetuchberaterin“ quittiert. Also ob einem der Beraterstatus dazu ermächtigt, an fremden Babys rumzufuhrwerken. Ob sie zum Kongress wollte, weiß ich nicht, aber ich wollte fast nicht mehr hin.

Bindungsorientiertung ist kein Wettbewerb mit anderen Eltern

Doch vor Ort kam der eigentlich Hammer.  Das Runzelfüßchen war mit ihrer Laune ein wenig am Ende. Es war gerade Mittagspause beim Attachment Parenting Kongress und wir wollten uns schnell anmelden und eine Kleinigkeit essen. Während wir an der Anmeldung stehen, kam ein junger Mann auf mich zu. Er meinte zu mir „Ganz toll, dass Du Dein Kind trägst, aber hier auf dem Kongress sind ganz viele Trageberaterinnen. Lass Dich besser mal beraten.“ Dann ging er wieder. Eigentlich wollte ich danach auch weder gehen. Es ging ihm weder um das Baby, noch wollte er mir tatsächlich behilflich sein. Er wollte einfach nur zeigen, dass er der Experte ist und mir das selbstgefällig zeigen. Mit solchen Menschen will ich weder an einem Ort sein, noch einen Kongress besuchen. Und ich dachte noch, dass Bindungsorientierung etwas mit den Kindern zu tun hat und nicht damit, sich gegenüber anderen Eltern „besser“ zu fühlen. Zum Glück war diese Begegnung die Ausnahme auf dem Kongress.

Niemand mag Besserwisser

Bei einem Tragetuch ist es wichtig, dass man es richtig bindet. Keine Frage. Dass habe ich auch gelernt und bin der Meinung, dass ich es auch kann. Ich hätte das Tuch nachbinden sollen, aber stattdessen habe ich Herrn Annika lieber hin- und wieder richtig ins Tuch geschoben.
Ich hatte auch schon manchmal überlegt, ob ich Menschen zum Beispiel sagen sollte, dass Babys bei 5 Grad Außentemperatur ein Mützchen tragen sollten. Seitdem ich auf dem Attachment Parenting Kongress war (der ansonsten gar nicht schlecht gewesen ist), weiß ich warum: niemand macht alles immer 100% perfekt und es schon schlimm genug, dass man sich das selbst öfters eingestehen muss. Aber viel schlimmer sind die Besserwisser, die einen selbstgefällig darauf hinweisen.

Wie geht ihr mit ungefragten Belehrungen um? Wie habt ihr euch dabei gefühlt, wenn andere euch auf eure Fehler hinweisen wollen?

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12 Antworten

  1. Anonym sagt:

    Ich finde es total nervig, dass die Leute v.a. bei Babys immer ungefragt ihren Senf dazu geben müssen. Es ist doch als Elternteil v.a. wenn es wie bei mir das erste Kind ist, schon schwer genug, die für sich richtigen Entscheidungen zu treffen. Die meisten Dinge rund um mein Baby habe ich mir gut überlegt, manchmal muss es aber auch pragmatisch sein. Ich warte immer noch darauf von Fremden "gut gemeinte" Rat-Schläge zu bekommen. Bisher bin ich zum Glück weitesgehend verschont geblieben.

  2. Julia sagt:

    Oh ja, die Tragetuch-Polizei ist mir auch schon begegnet: wir waren mit dem Kinderwagen unterwegs, in dem wie immer untendrin ein Tuch lag. Da hat mich eine ältere Frau angesprochen, weshalb ich denn mein Baby nicht tragen würde, wo ich doch offenbar ein Tuch habe?! Das sei für Babys ja sooo viel besser etc. Tja, zu diesem Zeitpunkt war mein "Baby" fast zwei Jahre alt und ich im 8. Monat schwanger…

    Umgekehrt ist es mir allerdings viel öfters passiert, das Tragen mit Tuch scheint für viele Menschen noch immer befremdlich. Das ging von sorgenvollen Kommentaren zu meinem oder Babys Rücken über die Frage, ob wir uns keinen Kinderwagen leisten können, bis zur Bemerkung, ich solle mein Kind doch "anständig" befördern, wir seien hier doch nicht in Afrika. Übergriffige Menschen mit Besserwisser-Attitüden gibt es eben leider in allen Bereichen

    LG, Julia

  3. Tut mir leid, dass du so negative Erfahrungen gemacht hast. Ich finde auch nicht, dass du dich dafür rechtfertigen musst, dass dein Tuch an diesem Tag locker gebunden war. Das passiert doch jedem einmal. Wenn dein Gefühl dir sagt, dass das Baby sich wohl fühlt ist das auch so. Das Bauchgefühl der Eltern hat immer recht!
    Was die Kritik anderer Leute angeht finde ich wichtig wer diese wie äußert. Unsere Nachbarin hat mal sehr mit uns geschimpft als wir unserer dann noch winzigen Tochter im Winter keine Mütze aufgesetzt hatten. Das ist danach nie wieder passiert. Bei Vätern haben die Leute glaube ich auch weniger Hemmungen gut gemeinte Ratschläge zu verteilen.

  4. Anonym sagt:

    .. Keine Beratung ohne Auftrag – das gilt für alle Branchen und es scheint das dies bei vielen Trageberaterinnen oder auch vermeintlichen noch nicht verinnerlicht ist.

  5. Anonym sagt:

    Hi, mit dem Thema rennst du bei mir offene Türen ein. Manchmal habe ich das Gefühl es gibt nur solche Besserwisser. Angefangen in der Schwangerschaft die Hellseher "garantiert ein Junge, bei dem Bauch" hm klar über "ach ein Gläschen Sekt geht immer" was dann mit "hat sie Hunger" sobald das Baby dann da ist und schreit oder " bekommt sie überhaupt Luft da drin". Im Kleinkindalter wird gerne das Quängeln kommentiert "sie versucht ihren Willen durchzusetzen " oder "schläft das Kind durch" (gedachte Antwort: schläfst du noch mit deinem Mann?) Oder " was ihr gebt keinen Brei?! Ihr stillt noch???" (Gedachte Antwort :ich hoffe Dein Mann bekommt täglich frisch gekocht. Esst ihr auch genug Gemüse?). Der alte Bekannte der Mutter des Vaters für mich also fremd der sagt "gib mir einen Kuss" das Kind das sich abwendet küsst ehe ich reagieren kann. Noch schlimmer die Mütter. Andere Mütter sind schlimmer als die fremde alte die meinem Kind einfach Brezel in die Hand drückt. Die Oma kann ich wegschicken. Im Schwimmbad bekommt man Ansagen wenn man das Kind auf den ach so unhygienischen Boden setzt (soll iCh im bikini hein gEhen oder was). Von anderen Müttern. Einmal hat sie wohl direkt an den Gulli in der Umkleidekabine auf den Boden gepinkelt und dann darin mit den Händen geplanscht. Ich wurde darauf hingewiesen da ich mich gerade angezogen habe diese andere Mutter hat die Augen gestellt und War sehr angeekelt und -ja es ist ein bisschen eklig aber mein Gott bisschen Pipi und das ist in den Gulli gelaufen. Die Schwiegermutter und eigene Mutter die immer alles besser wissen das macht Eltern sein manchmal anstrengender als es ist. Es ist unsere Gesellschaft und ich übe mich darin Grenzen zu setzen und zu sagen dass ich das nicht hören mag.

  6. Paula sagt:

    Ach ja. Du rennst Scheunentore ein bei mir, mit diesem Post. Ich bin auch Trageberaterin. Und 4fach Mama, und oft genug selber mit gelockertem Tuch (oder, noch viel schlimmer, mit einer Trage, die NICHT! aus Tragetuchstoff ist *hyperventilier*)unterwegs, weil die garnichtmehrsokleine Mini sich locker gewurschtelt hat. Und ich warte auf den Tag, wo mich mal eine "Kollegin", die Dogmen zum Frühstück hatte, von der Seite anschwatzt, wie ich es doch vielviel besser machen könnte.
    Ich KANN das nicht ab. Bei meiner Ausbilderin habe ich gelernt, dass es keine Beratung ohne Auftrag gibt. Ganz einfach. Daran halte ich mich. Aber ach, es scheint so verlockend zu sein, andere zu missionieren und ihnen zu sagen, wie sie es doch soooooo viel besser machen könnten. Ganz, ohne gefragt worden zu sein. Gerade in der "AP-Szene" finde ich diese Übergriffigkeit gar nicht so selten.

    Viel Freude euch weiterhin beim Tragen von Herrn Annika. Und der nächsten, die ungefragt am Kind herumzuppelt (gibt es etwas distanzloseres, als ungefragt ein fremdes Baby anzugrabbeln?), würd ich vielleicht echt auf die Finger klopfen. Im Wortsinn.

  7. Alexander sagt:

    Ich hoffe, Du bleibst von Ratschlägen verschont. In einer Stadt wie Berlin bleibt es leider oft nicht aus. Aber wie heißt es so schön: "Das Gegenteil von gut ist gut gemeint." Am besten nicht ärgern lassen, sofern es geht.

  8. Alexander sagt:

    Hallo Trageberatung Linden,

    ob Mütter wenige Kommentare bekommen, bin ich nicht sicher. Oft haben Väter doch noch einen Bonus wie "toll, der kümmert sich" und werden meinem Gefühl nach eher weniger kritisiert als Mütter.
    Ansonsten gebe ich Dir vollkommen Recht: das "wie" ist oft entscheidend.

    Viele Grüße,
    Alex

  9. Alexander sagt:

    Ich kenne nicht sehr viele Tragetuchberaterinnen. Die, die ich ansonsten kennen gelernt haben, würden nicht Menschen auf der Straße ansprechen bzw. übergriffig werden. Dabei finde ich Tragetuchberatung sehr wichtig.

  10. Alexander sagt:

    Hallo Paula,

    vielen Dank für Deinen Beitrag. Ich bin ein wenig erleichtert, dass auch bei Fachleuten wie Dir ein gelockertes Tuch vorkommmen kann.
    Falls das nochmal passiert, bin ich auf jeden Fall vorbereitet und würde nicht mehr so defensiv antworten.

    Viele Grüße,
    Alex

  11. Alexander sagt:

    Hallo Julia,

    oft sind es tatsächlich die Leute, die wenig oder gar keine Ahnung haben, die ihre Kommentare fallen lassen müssen. Einer schwangeren Frau zu empfehlen ein Kind zu tragen, welches mit Sicherheit mehr als 5kg schwer ist- da kann man nur den Kopf schütteln.

    LG,
    Alex

  12. Alexander sagt:

    Besserwisserei sollte verboten werden.
    Bei fremden Menschen kann man tatsächhlich weg gehen oder sie ignorieren. Wenn Menschen im näheren Familienumfeld einen ständig kritisieren, kann das mit Sicherheit an die Substanz gehen. Man darf sich das trotzdem nicht zu sehr zu Herzen gehen lassen.

    Viele Grüße,
    Alex

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