Von Kühen, Milch und Vegetarismus – ein Ausflug ins Salzburger Saalachtal

Vor Kurzem waren wir auf dem Weg quer durch Deutschland. Das Ziel: Wir wurden auf eine Pressereise ins Salzburger Saalachtal eingeladen*. Unser Weg dorthin führte uns über jede Menge Autobahnkilometer. Und vorbei an erschreckend vielen Tiertransporten.
Da wir das so in Berlin logischerweise nicht sehen, wollten die Kinder natürlich wissen, was das ist. Also versuchten wir zu erzählen, was wir selbst kaum begreifen können. Nämlich, dass Tiere zum Schlachten durch Deutschland und Europa (und sogar die ganze Welt, aber das verschwieg ich dann doch lieber) gekarrt werden. Weil es billiger ist sie in ferneren Ländern zu schlachten und das Fleisch wieder verpackt nach Deutschland zu schicken.
Ob es den Kühen, Hühner und Schweinen denn gut gehen würde, ob sie genug zu Fressen und Trinken hätten wollten die Kinder wissen. Wo die Tiere schlafen, wenn der LKW-Fahrer eine Pause macht. Ob er dann alle auf der Wiese einer Autobahnraststätte grasen lässt und sie wieder einsammelt. Meine Antworten machten die Kinder sprachlos. Dabei waren sie lückenhaft, denn ich weiß vieles ja auch nicht, kann nur mutmaßen. Aber ich glaube nicht, dass sich ein LKW-Fahrer mit Tierwohl auskennt und eigenständig dafür sorgt, dass es genügend Platz in seinem Anhänger gibt.

Kinder und Vegetarismus

Wir kamen in Unken, dem Ziel unserer Reise an. Die Kinder hatten weitere Fragen. Vor allem dazu, wieso so viele Menschen Fleisch essen und wieso ihnen die Tiere egal sind. Ich hatte wenig Antworten, aber großes Glück. Denn diese Pressereise ins Salzburger Saalachtal, die war ein absoluter Glücksfall. Wir haben nämlich nicht nur sehr sehr viele Kühe und Schafe gesehen, nein, wir haben auch viele Menschen getroffen, die sich mit Tierhaltung auskennen. Und die den Kindern jede, wirklich jede Frage ehrlich beantwortet haben. Das ist auch deswegen so bemerkenswert weil wir mitten in der Großstadt sonst ja gar nicht mit Tieren in Kontakt kommen. Und plötzlich Fragen laut werden, wieso die Kühe auf der Alm eigentlich anders aussehen als die aus dem Bilderbuch.

Auf der Lofer Alm

Bezug zur Natur fehlt

Ich muss gestehen, es gab während der Pressereise mehrere Situationen in denen ich dachte: Was bin ich für ein Stadtkind. Wie wenig kenne ich mich mit der Natur aus, wie wenig Kontakt habe ich eigentlich zu all dem. Wir essen kein Fleisch, das ist denke ich inzwischen bekannt. Deswegen war es für uns immer recht einfach unseren Kindern zu erklären: Die Tiere müssen sterben, damit Menschen Fleisch essen können. Vielleicht schwang da auch ein Stück eher unangebrachte moralische Überlegenheit mit, dass WIR eben die Guten sind, für die die Tiere nicht leiden müssen. Was wir dabei eher wenig bedacht haben: Auch wir sind nicht frei von Schuld. Wir trinken Milch, wir essen Käse, Jogurt, Quark, Eier, die ganze Bandbreite tierischer Erzeugnisse.

11 Pinzgauer Kühe auf dem Hof Perchtbauer

Stadtkinder auf dem Bauernhof

Den Kindern wurde bewusst, dass das Thema Nutztierhaltung ein wichtiges ist, als wir bei Bäuerin Elisabeth auf dem Hof standen. Wir durften in den Stall vom Biohof Perchtbauer, wir durften die Kühe sehen, die Melkmaschinen und der Bäuerin beim Käse machen zuschauen. Wir sahen die Kühe, die ihre Hörner hatten, die vollen Euter. Die Tiere dürfen auf die Weide, sie sind viel draußen, nach subjektiven Gesichtspunkten geht es diesen elf Tieren da wirklich wirklich gut. Wir sahen aber auch die Kälbchen. Getrennt von ihren Müttern. Und die Bäuerin berichtete, dass die Kälber nicht bei ihren Müttern am Euter trinken dürfen. Dass sie auch nicht zusammen auf der Weide stehen. Die Kinder waren irritiert. Klar war es süß das Kälbchen zu streicheln, aber der Gedanke, dass sie nicht bei ihren Eltern (naja, Bullen sind ja noch mal ein ganz anderes Thema), das war schwierig für die Kinder.

Käse aus Rohmilch – das hier wird Morzarella

Käse aus tierischem Lab

Elisabeth erklärte, dass das Lab für ihren Käse aus dem Labmagen der Kuh gewonnen wird. Meine Tochter war schockiert, ich sah, wie sie nicht glauben konnte, dass der Käse nicht vegetarisch ist. Der, den wir kaufen und essen ist es, weil mikrobielles Lab verwendet wird. Aber im Zuge der Recherche über Käseherstellung (denn meine Fünfjährige wollte da ganz sicher sein) las ich auch viel darüber, dass es eigentlich besser ist, Käse aus tierischem Lab zu essen. Weil dann nämlich das ganze Tier genutzt wird, weniger „Abfall“ (wie das klingt!) entsteht. Da ist viel Wahres dran.

Melkmaschine auf dem Hof Perchtbauer

Regional für die Region produzieren

Den Besuch auf dem Bauernhof, dessen weiterer Höhepunkt es war einmal ein Huhn zu streicheln (ich kam mir wieder sehr albern vor, aber ICH habe noch nie ein Huhn gestreichelt, während das für viele, die ländlicher groß werden sehr normal ist), war irgendwann vorbei. Die Fragen der Kinder blieben. Wie das jetzt sei mit den männlichen Kühen (die werden geschlachtet bevor sie zwei Jahre alt sind), wie die Tiere geschlachtet werden (äh ja, das mit dem Bolzenschußgerät erwähnte ich nicht und die Tiertransporte hatte sie auf dem Weg gesehen). Das Gute war: Bäuerin Elisabeth hatte das gut erklärt, die Milch ihrer Kühe, das Fleisch der Tiere und die Eier der Hühner, all das gab es in ihrem Hofladen und in den Hotels der Region zum Essen. Sie produzierte nicht für den Export, alles bleibt im Salzburger Saalachtal. Was übrigens für alle Höfe der Region gilt. Die sind alle eher klein und werden nebenberuflich bewirtschaftet, das Fleisch wird nicht exportiert, die Tiere in Salzburg im Schlachthaus geschlachtet.

Abwechslung von moralischen Fragen

Am nächsten Tag stand eine Schatzsuche in der Lamprechtshöhle und ein Familienfest auf dem Programm. Ich war ehrlich froh über diese Ablenkung, denn die Kinder hatten Spaß, lernte eine Menge über Höhlen und Natur und wir sprachen ein paar Stunden nicht über Tierwohl. Die Höhle fand ich auch beeindruckend, mein Dreijähriger war am meisten davon angetan, dass es überall rot blinken würde, wenn die Höhle voll Wasser läuft. Dann wird sie nämlich gesperrt weil Lebensgefahr herrscht. Auch eine Art Nervenkitzel.

Milchkühe auf der Loferer Alm

Statt Spielplatz lieber Fragen nach dem Tierwohl

Tagsdrauf gingen wir wandern, auf der Alm. Als wir mit der Schwebebahn die Loferer Alm hinauffuhren entdeckten wir ein Reh. Und oben lauter Kühe. Einige hatten Glocken um den Hals gebunden, es war wirklich sehr klischeehaft. Aber schön. Es gibt dort oben auch einen Spielplatz, Herr Annika interessierte sich nur überhaupt nicht dafür. Er wollte zu den Kühen. Unser Wanderführer Herrmann beantwortete alle Fragen, die meine Kinder so zu Tieren, Schlachten, Fleisch und Milch hatten. Die wichtigste Frage: Dürfen die Kälber die Milch der Mutter trinken? Herrmann verneinte. Und ich sah wie meine Tochter mit den Tränen kämpfte. Sie war ganz aufgelöst und wollte wissen, was sie denn nun machen soll. Sie fragte den Wanderführer, der vielleicht die beste Antwort gab, die ich mir zu dem Thema vorstellen kann. Er sagte, dass sie die Entscheidung selbst treffen muss. Jede Entscheidung ist die Richtige, solange sie nur weiß welche Optionen es gibt. Wenn sie beschließt keine Milch mehr zu trinken, dann ist das in Ordnung. Wenn sie beschließt Milch zu trinken, dann ist es auch in Ordnung. Nur sie selbst kann sich diese Antwort geben. Diese offene Erklären, ganz ohne Vorhaltungen, ganz offen und frei, dass hat nicht nur meine Tochter tief beeindruckt sondern auch mich.

Wanderführer Herrmann Hollaus (den ich natürlich gefragt habe, ob ich ihn fotografieren darf)

Der Wanderführer erzählte uns Erwachsenen noch viel über Kühe, über Modifikationen und Neuzuchten, damit die Tiere eben Milchkühe sind, die nicht nur 5 sondern 70L Milch geben können (und deren Euter dann durch Zucht riesig werden). Er sprach darüber wie früher mit Tieren umgegangen wurde und wie heute. Ich war schon immer der Meinung, dass man guten Gewissens Fleisch essen kann wenn man das Tier aufgezogen hat und es selbst schlachtet. Wenn man den ganzen Prozess überblickt, dann finde ich das vollkommen ok Fleisch zu essen. Ich kann das nicht. Aber ich weiß nun mehr über Milchproduktion und muss deswegen umdenken.

Die Kälber auf dem Hof

 Ist das Milch drin?

In meinen Kindern wirkt all das lange nach. Wenn wir etwas essen fragen sie, ob da Milch drin ist. Wir brauchen Reste auf und müssen nun langsam entscheiden wie es weitergehen soll. Denn ich finde es einerseits wichtig meine Kinder mit Calcium zu versorgen, denn ich finde alles, was irgendwie zugesetzt wird jetzt auch nicht so toll. Und ich bin nicht davon überzeugt, dass vegane Ernährung für Kleinkinder das Richtige ist. Gleichzeitig kann ich aber auch nicht über ihren Willen hinweg entscheiden. So funktioniert unsere Familie einfach nicht.

Entspannen im Salzburger Saalachtal

Vegan leben als Familie?

Diese Reise ins Salzburger Saalachtal hat also viel viel mehr in unserer Familie angestoßen als „nur“ ein schöner Urlaub gewesen zu sein. Ich kann und werde euch gern noch von all dem berichten was man dort erleben kann und weswegen ich glaube, dass es ein guter Ort für Familien ist. Aber erst muss ich euch erzählen wie manchmal eine Reise vieles verändern kann. Und wieso es wichtig ist auf unsere Kinder zu hören. Denn ihrer Neugier ist es zu verdanken, dass wir so viel schlauer von dieser Reise zurückgekommen sind. Ich finde es manchmal schwierig mit meinen Kindern, die so so SO viele Fragen haben und nicht locker lassen, bis sie Antworten bekommen. Aber diese Reise zeigte einmal mehr wie wichtig es ist. Was als Diskussion über Tiertransporte begann wird unsere Familie noch lange Zeit begleiten.

*Zur Transparenz: Wir wurden auf diese Reise eingeladen, aber ich werde für diesen Artikel nicht bezahlt. 

Wie lebt ihr mit euren Familien? Wie ernährt ihr euch? Und wie sprecht ihr mit euren Kindern darüber?

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2 Antworten

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    […] Elternzeit unseres Lebens genießen. Nicht wie geplant in Sri Lanka, aber dafür in Korsika, im Salzburger Saalachtal, in Oberwiesenthal und an der Nordsee. Für 2020 wünsche ich mir auch eine große […]

  2. Juli 5, 2020

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