Mein Kind, dein Kind – guckt das nicht

Neulich hatte ich einen anstregenden Vormittag und als Herr Annika endlich schlief Lust auf eine Runde Netflix. Beim Anschalten vom Fernseher wurde mir dann plötzlich das laufende Programm angezeigt. Es lief „Mein Kind, dein Kind“. Ich konnte nicht wegschalten. Ehrlich. Die Teaser, die die Fernsehleute da zusammengeschnitten haben, die waren einfach zu „gut“.

„Mein Kind, dein Kind“ auf VOX

Für alle, die diese Sendung, wie ich, nicht kennen, hier mal eine kleine Vorstellung vom Sendekonzept:
Zwei Eltern, in aller Regel Mütter, es gab aber auch schon Väter, treten zum „Erziehunsgvergleich“ an. Beide Mütter (ich schreibe das jetzt mal der Einfachheithalber) wollen sich messen, wollen zeigen wie ihre Erziehung funktioniert und, ich mutmaße hier, Lob bekommen für ihre Kinder. Oder für sich, vermutlich geht es am Ende wohl genau darum. Dazu besuchen sich die Mütter gegenseitig um einen irgendwie typischen Tag bei der Anderen zu erleben und zu schauen wie andere das denn eigentlich so machen. Als wäre das noch nicht „interessant“ genug gibt es dann noch jede Menge Familien, die das Ganze kommentieren. Also im Klartext: Die lästern dann darüber wer jetzt in ihren Augen was wie falsch macht.

Bedürfnisorientierte Mutter stellt sich vor

Die Folge, die ich nun gesehen habe zeigte zwei Mittezwanzig-Mütter  mit ihren einjährigen Kindern, die sich eben vergleichen wollten. Die eine Mutter, sie hieß Aline, erzog ihr Kind im Prinzip nicht. Sie machte aus dem Bauch heraus was sich für sie und ihre Tochter gut anfühlte. Das bedeutete für sie: Tragen wenn das Kind es möchte, Essen frisch und ohne Salz und Zucker kochen, Einschlafbegleitung solange bis das Kind eben schläft. Sowohl die andere Mutter, Marie, als auch die kommentierenden Zuschauer fanden das gräßlich. Aline würde sich von ihrer Einjährigen auf der Nase rumtanzen lassen, Kinder, die kein Zucker bekommen werden später dick weil sie alles in sich reinstopfen. Kinder sollten auch mal merken, dass Eltern nicht 24 Stunden für sie da sind. Und überhaupt, mit fast einem Jahr sei Tragen ja überhaupt keine gute Idee. Ich fiel fast vom Sofa.

Kinder müssen gehorchen

Nun war ich natürlich noch gespannter wie die andere Mutter denn erziehen würde. Ich mach es kurz: Essen ausschließlich aus dem Glas, das Baby muss lernen, dass Mama nicht sofort kommt nur weil der kleine Junge weint und Rauchen findet sie viel weniger schlimm als wenn ein Kind an einem Grashalm knabbert. Und die „Zuschauer“ beklatschten das natürlich, weil das eben soviel lebensnäher wäre. Die Mutter, die die Bedürfnisse ihres Kindes achtet, die wird als lebensfern abgestempelt, als jemand, der alles falsch macht. Weil Kinder eben gehorchen müssen.

Andere Eltern verurteilen

Nun ist es natürlich nicht so, dass ich mir irgendwas davon annehme. Mir doch egal was der Rest der Welt von meiner zugewandten Erziehung hält. Ich mach aber auch nicht bei solchen Sendungen mit und würde, neben vielen anderen Punkten, natürlich auch nicht meine Kinder in die Kamera halten. Aber das zu sehen tut trotzdem weh. Dieser Wettstreit ist furchtbar. Diese Beurteilen anderer Eltern ist es aber noch mehr. Wie kann man sich anmaßen zu beurteilen was in anderen Familien nun richtig oder falsch läuft.

Bedürfnisse von Kindern zählen nicht

Neben all den Punkten ist mir aber am deutlichsten in Erinnerung, dass vor allem die Mutter beklatscht wurde, die ihr Kind mit sagen wir mal, Strenge erzogen wurde. Der „Querschnitt der Gesellschaft“ wie der Sprecher der Sendung mitteilte, sei eben der Meinung, dass das die „richtige“ Art sei Kinder zu erziehen. Früh sollen die Kleinen lernen, dass sie gehorchen müssen, dass ihre Bedürfnise sich denen der Eltern unterzuordnen haben. Dass so deutlich vorgeführt bekommen zu sehen, das tut mir weh.

Wie ist das bei euch? Schaut ihr solche Sendungen? Und könnt ihr meine Beklemmungen nachvollziehen oder sind sie in euren Augen übertrieben?

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2 Antworten

  1. Katja sagt:

    Ich kann deine Gefühle echt nachvollziehen und mich mit der ersten Mutter identifizieren (shit schreibt man das so?). Ich erziehe auch komplett aus dem Bauch heraus und denke oft ich sehs nicht, wie Anderen mit ihren Kindern umgehen. Es steht mir aber nicht zu, dazu was zu sagen. Ich finde solche Sendungen eh totaler Schrott. Aber es macht traurig, wie immer noch die Standarterziehung in Deutschland ist.

    Lg

  2. Anonym sagt:

    Wir schauen fast nur noch über Mediatheken oder auch Netflix, das laufende Programm ist meist schrecklich. Solche Sendungen wieder mich irgendwie auch an. Gar nicht mal wegen der Erwachsenen, die sind alt genug, aber die Kinder können sich nicht wehren. Wir erziehen oder esser orientieren uns auch an den Kindern. Sie gehören genau so wie wir zur Familie und haben genau so ein Recht gesehen zu werden. Natürlich ist man nicht jeden Tag gleich gut darin, aber das ist finde ich auch realistisch und Lebens nah. Was nun aber das Rauchen neben seinem Kleinkind mit Lebensnähe zu tun hat kann ich nicht nachvollziehen. Bin da aber vielleicht auch durch meine Kindheit sehr geprägt, auch in meinem Elternhaus wurde immer und überall geraucht, von Vater und Opa, ich fand es als Kind schon schrecklich und habe tatsächlich noch nie in meinem Leben geraucht. Wenn das so heute immer noch als OK empfunden wird und einen Querschnitt der Gesellschaft darstellt, na dann gute Nacht.

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