Was gerade alles schief läuft – eine sehr persönliche Zusammenfassung

Ich bin seit Wochen, ach was, seit Monaten wütend. Zwischendrin auch immer wieder verzweifelt. Und mit jeder neuen Wendung, die die Coronamaßnahmen nehmen, werde ich hoffnungsloser, dass Familien wirklich gesehen werden. Woran liegt das denn, dass wir an vielen Stellen nicht mal mehr mitgedacht werden?

Im ersten Lockdown damals, der keiner war aber ihr wisst, was ich meine, da waren wir Eltern wohl vor allem motiviert und organisiert. Hier gab es Vor- und Nachmittagsschichten und je ein Elternteil bespaßte die drei Kitakinder. Wir konnten nicht allein auf Spielplätze gehen (ein Irrsinn, wenn ich mir das heute überlege), aber in den Wald. Für die Kinder war immer ein*e Ansprechpartner*in da, während der andere versuchte, die Arbeitslast irgendwie zu schaffen. Ging nie, deswegen haben wir auch nachts gearbeitet und uns ziemlich ausgelaugt gefühlt.

Familienurlaub in Zeiten von Corona

Dann kam der Sommer und rückblickend denke ich: Wieso habe ich den Urlaub nicht mehr genossen? Weil mir nicht klar war, was kommt, logisch. Hier kam eine Einschulung unter Coronabedingungen und Unterricht unter Coronabedingungen. Der Schulstart war schwer und ich muss leider feststellen, bis jetzt hat die Schule sich nicht mit Ruhm bekleckert. Es kam und kommt extrem viel Druck aber wenig Verständinis. Als es im Dezember ins Homeschooling ging und die Lehrerin mich eine Woche lang nicht erreichen konnte (weil ich mal wieder versuchte, Arbeits- und Familienleben in Einklang zu bringen und nicht gut erreichbar war), gab es Kritik.

Als es langsam zurück in die Schulen ging und wir die Erstkläßlerin aus Vorsicht weiter zuhause behielten, mit der Begründung, es gäbe Risikofaktoren in der Familie, hieß es nur: Ok, aber dann müssen Sie zusehen, dass Ihr Kind nicht den Anschluss verliert, wir können nicht auf alle Rücksicht nehmen. Na vielen Dank auch.

Testpflicht in der Schule

Jetzt gibt es die Testpflicht in der Schule. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich finde Testen wichtig, weil ich fest davon überzeugt bin, dass es eine echte Hilfe ist. Wir machen das einmal die Woche und ja, es gibt mir, trotzdem ich nur im Homeoffice sitze und niemanden treffen, ein bisschen Sicherheit. Dass die Kinder sich aber in der Schule unter Aufsicht alle gleichzeitig testen müssen, das kann ich nicht verstehen.

Uns Eltern wird ein Jahr (also in meinem Fall ein halbes) zugetraut, unsere Kinder zu unterrichten, aber unsere Kinder testen, das können wir plötzlich nicht? Ich weiß, es geht um die Nachvollziehbarkeit, aber das Pendel des Vertrauens schlägt halt immer gegen die Eltern aus. Auf meine Frage, warum die Kinder, die sich alle gleichzeitig testen, nicht als Kontaktperson 1. Grades gelten, wenn eins aus ihrem Kreis positiv ist, wurde lapidar auf die Vorgabe der Behörde verwiesen. Und ja, ich komme mir da schon ein wenig veräppelt vor.

Was passiert, wenn ein Kind positiv getestet wird?

Was die zugewandte, unterstützende Begleitung angeht, wenn ein Kind positiv in der Schule testet, da habe ich meine Zweifel. Die Schule wirbt jedenfalls groß damit. Aus meiner Erfahrung mit all den Mails (in denen gründsätzlich nur und die Arbeit der Lehrer*innen gelobt wird, nie aber das, was die Eltern leisten), habe ich große Zweifel.

Wie zugewandt fühlt sich das wohl an, wenn das Kind von alle anderen separiert in einem Raum sitzt, immerhin mit Blickkontakt zur Lehrperson, und auf die Eltern wartet. Wie aussätzig fühlt man sich da wohl? Und ja, Kinder können gemein sein. In der Theorie wünschen wir uns alle, dass coronapositiv getestete Kinder nicht ausgegrenzt werden, aber wenn in der Klasse alle Bescheid wissen (zehn kommen zum Test und neun nehmen am Unterricht teil, da braucht es keine offizielle Ansage), dann kann das natürlich recht leicht passieren.

Die Coronaregeln gelten für mich nicht

Das sind die formalen Dinge, die mir gerade zu schaffen machen. Was auch dazu kommt: Immer mehr Menschen berichten mir von ihren „hahahaha, sags nicht weiter, aber…“ – Brüchen mit den Coronaregeln. Und das sind keine Geschichten von Freund*innen, sondern aus dem beruflichen Umfeld, teilweise von Menschen mit denen ich nur ein Interview verabrede, wo das überhaupt gar kein Thema ist.

Es ermüdet mich, weil jede*r glaubt, er/sie sei allein die eine Ausnahme, das sei schon nicht so schlimm. Kann ich verstehen, dass man Lust hat auf Übernachtungspartys für die Kinder oder Kochabende mit Freund*innen? Ja logo. Ich will das auch, ich möchte auch, dass meine Kinder andere Kinder treffen, abseits von Schule (mit Maske) und Kita (nicht zwangsläufig die Kinder, die sie nun unbedingt treffen wollen). Aber in der Praxis ist es einfach keine gute Idee. Und umso öfter ich solche Geschichten höre, umso ratloser werde ich. Weil es sich anfühlt, als sei unsere Familie die letzte, die so doof ist, sich an alle Regeln zu halten. Und gleichzeitig ist klar: Wir treffen niemanden irgendwo zuhause, eben weil wir uns nicht anstecken wollen. Und wenn ich mit Freund*innen spazieren gehe, dann mit viel Abstand.

Coronaimpfung für alle? Irgendwie nicht

Während wir also weiter im Status Quo aus Homeoffice, Homeschooling und Notbetrieb in der Kita verharren, habe ich das Gefühl, dass um mich herum Aufbruchsstimmung herrscht. Scharenweise vermelden die Leute „Juchhu, Impftermin!“ und geben sich gegenseitig Tipps, wie man denn am besten noch einen bekommt. Hilfreich soll es, je nach Bundesland, sein, Gesundheitsämter zu nerven, sich auf 50 Hausarztlisten setzen zu lassen oder befreundete Ärztinnen um einen Gefallen zu bitten. Natürlich kenne ich die individuellen Hintergründe für die Impfung nicht, vermutlich sind die alle berechtigt und ich habe einfach Pech. Denn ganz theoretisch wäre ich jetzt auch dran.

In der Praxis werde ich von allen Seiten vertröstet, auf offizielle Schreiben verwiesen oder mir wird erklärt: Sorry, also eigentlich ja, aber irgendwie doch nicht, wir gehen dem nach und melden uns. Klar, das ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, in Berlin muss ich auf ein offizielles Schreiben warten (was laut Kassenärztlicher Vereinigung verschickt sein sollte, aber im Einzelfall kann man das halt nie sagen) oder eine*n Hausarzt / ärztin finden, der/die impft.

Impfneid? Ja, doch irgendwie schon

Und ja, das klingt wie Impfneid, vielleicht ist es das auch. Denn natürlich möchte ich auch geimpft werden. Gleichzeitig bin ich in der Lage mich für andere auch über ihre Impfung zu freuen. Aber es ist schwierig. Ich finde alle Eltern sollten langsam mal mit der Impfung dran sein. Sollten in der Priorität nach vorn rücken. Aber nö, alles streng nach Vorschrift, mit der Ausnahme, dass die, die irgendwen kennen, eben doch Vorteile haben. (Aber wie gesagt, vielleicht tue ich auch allen Unrecht!) Die meisten Eltern haben aber gar keine Zeit, sich auf ewig viele Listen zu setzen oder irgendwas abzutelefonieren und können auch eher nicht spontan in 20 Minuten irgendwo sein.

Lockerungen für Geimpfte? Wo ist denn da die Solidarität mit Familien?

Wenn ich lese, dass nun über Lockerungen für Geimpfte nachgedacht wird, dass in den Medien diskutiert wird was wann für wen gelockert werden soll, dann werde ich ehrlich wütend. Denn wie lange haben Eltern und Kinder bitte Rücksicht genommen auf all die vulnerablen Gruppen in der Gesellschaft? Wo ist denn die Solidarität, die im letzten Jahr alle gefordert haben jetzt? Kinder und Jugendliche werden noch lange nicht geimpft, ein Impfstoff soll für Jugendliche ab 12 Jahren eventuell freigegeben werden. Bleiben immer noch die bis 12-Jährigen. Und ihre Eltern. Die sich nirgendwo hinbewegen können. Die keine Lockerungen erfahren, sondern weiter in ihrer Ohnmacht ausharren und zu schwach sind, um für sich zu kämpfen.

Was passiert, wenn die Erwachsenen geimpft sind?

Was ist denn eigentlich, wenn irgendwann alle Erwachsenen geimpft sind? Dann sind die Kinder weiterhin gefährdet. Ist ja nicht so, als könnte Corona nicht auch Folgen für Kinder haben. Für Familien ändert sich also leider genau gar nichts. Ich sehe es schon vor mir, Herbst/Winter 2021 wird genau wie letztes Jahr. Weil die Kinder sich untereinander anstecken. Dann sind Lehrer*innen geimpft und vielleicht auch die Eltern, die Kinder aber haben trotzdem keinen Schutz. Ist das alles egal?

Es macht mich ratlos, wütend, sauer, wie immer die, die am lautesten krähen auch die meiste Sendezeit bekommen. Und weil Wahljahr ist, auch viele Versprechen purer Wahlkampf sind, der nicht auf Familien abzielt. Sind wir eine so kleine Wähler*innengruppe? Nee, eigentlich nicht. Aber wir sind zu müde, um für Sichtbarkeit zu kämpfen.

Wenn das letzte Jahr nicht schon sowieso für tiefe Spaltung in der Gesellschaft gesorgt hat, dann wird es diese neue Abgrenzung zwischen Geimpften und Ungeimpften auf jeden Fall tun. Und die Verlierer sind abermals die Familien.

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3 Antworten

  1. Julia sagt:

    Liebe Andrea,
    es tut mir ehrlich leid, dass Du gerade so empfindest und bewundere aber, dass Du es trotzdem so geordnet schreiben kannst.
    Ich wünsche Dir/ Euch einen Lichtblick, auch wenn ich den nicht herbeizaubern kann.
    Hier ist es ähnlich – keine Kontakte, kein Treffen, die Erstklässlerin hasst die Wochenpläne inzwischen und das Kindergartenkind ist unausgeglichen wie nie zuvor – falls das Wissen darum, dass es auch Familien gibt, die sich an die Regeln halten, ein wenig hilft.
    Mir schwirrt Vieles durch den Kopf, von dem ich nicht weiß, ob es hierher gehört, oder nützlich ist. Deswegen belasse ich es bei den Zeilen. Aber Du bist mit Deinem Empfinden nicht allein.
    Ganz herzliche Grüße unbekannterweise,
    Julia

  2. Christin sagt:

    Liebe Andrea,

    auch ich fühle das genau so wie du. Ich habe ebenfalls drei Kinder, von denen das älteste im vergangenen Sommer in die Schule gekommen ist. Meine mittlere Tochter war seit Dezember nicht mehr in der Kita, weil ich mit der Jüngsten noch in Elternzeit bin. Ich ertrage diese Stimmung, die ich bei vielen im Umfeld genau wie beschrieben erlebe, auch gerade nicht mehr..nicht nur diese aneinander gereihten halbherzigen Lockdowns machen mich müde, sondern vor allem diese Menschen. Es ist wirklich zum Verzweifeln. Bei uns ist das leider auch innerhalb der Familie und teilweise im Freundeskreis so. Ich fühle mich allein, was ich ja durch die ganze Situation auch bin, aber wird sich das ändern, wenn alles Mal „vorbei“ ist? Wie geht man dann mit diesen Menschen um? Das macht mich ganz krank. Auch wenn ich keine existenziellen Sorgen in dem Sinn hab.

    Viele Grüße
    Christin (die aus Berlin vor zwei Jahren an den „Rand“ gezogen ist)

  3. Motti sagt:

    Hallo Andrea,
    unsere Familie ist in einer ähnlichen Situation wie eure. Außer, dass wir vier Kinder haben, ungefähr der gleiche Mix wie bei euch, plus eine Viertklässlerin. Und dass der Vater nicht von Zuhause arbeitet…was heißt, dass ich tagsüber alleine zuständig bin. Die Viertklässlerin, die seit vier Jahren den Tag selbstständig verplant und draußen unterwegs ist, darf ihre Freunde nur draußen treffen, während andere sich zu Übernachtungen verabreden…. Die Situation ist belastend, ätzend für uns Familien mit kleinen Kindern. Aber dann sehe ich in der Nachbarschaft die Jugendlichen, die daheim hocken. Eine macht Abi und sitzt seit einem Jahr abends hauptsächlich daheim. Unsere ehemalige Babysitterin (brauchen wir nicht mehr, sind ja eh immer daheim!) studiert, war noch nie an ihrer Uni , das dritte Coronasemester im Kinderzimmer, der halbe Bachelor! Die Nachbarin auf der anderen Seite, sollte ihr Auslandsemester in London machen, und dann ein Pflichtpraktikum für den Abschluss; jetzt ist alles abgesagt, der Abschluss, vielleicht nächstes Jahr!? Oh, und ihr Kellnerjob? Gibts nichts mehr. Menschen in Altenheimen, die immer noch trotz Impfung sehr eingeschränkt Besuch haben dürfen. Es gibt also außer Familien noch ziemlich viele andere Gruppen, für die die Situation ätzen ist.
    Aber jetzt neidisch auf andere zu schielen, die die Regeln für sich anders interpretieren, oder die schon geimpft sind, nützt doch wirklich keinem. Ich finde, die Situation ist für ziemlich viele ziemlich belastend.
    Aber bei uns in Deutschland gibt es die Aussicht, dass alle Menschen in absehbarer Zeit geimpft sein werden, und ob dass bei dir jetzt letzte Woche oder Mitte Mai ist, macht am Ende vielleicht nicht so einen riesigen Unterscheid.
    Eigentlich nützt doch nur Zähne zusammen beißen und durchhalten. Und wenn es einem finanziell gut geht vielleicht an Ärzte ohne Grenzen spenden, damit die Menschen im globalen Süden auch eine Aussicht auf eine Impfung haben. Und vielleicht an dann bei der nächsten Wahl anders wählen! Vielleicht bringt eine Kanzlerin mit kleinen Kindern eine andere Sicht auf die Dinge, als das was wir jetzt haben!?

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