Privatheit im Netz – Fotos posten ohne Erlaubnis

Ich weiß, ich weiß. Vielen von euch geht das total auf die Nerven, dass ich immer mal wieder auch über (Kinder)Fotos im Netz schreibe, über Privatshäre und ja, auch ab und zu mit euch diskutiere, wieso welche Fotos jetzt nicht veröffentlicht werden sollen.

Meine Meinung dazu ist weitbekannt: Es gibt keine Fotos meiner Kinder im Netz. Auch zu Intimes veröffentliche ich nicht. Da fahren andere Eltern andere Strategien, und das ist für mich auch vollkommen in Ordnung. Eltern entscheiden für ihre Kinder, sie sind die Instanz und der Maßstab, nachdem sich die Familie richtet. Es steht mir schlicht nicht zu darüber zu urteilen, wie ich das jetzt finde, dass irgendwer seine Kinder beim Eisessen fotografiert und auf Instagram zeigt. Oder, dass eine Bloggerin den neusten Kinderwagen mit ihrem Baby illustiert. Ich gucke mir das an, finde vieles davon niedlich und denke überdies ja auch: Wenn wir gar keine Kinder zeigen, finden sie im Netz nicht statt. Damit sinkt auch das Verständnis allgemein, dass Kinder zum Leben dazu gehören.

Fremde Kinderfotos einfach ins Netz stellen

Was aber, und da bin ich schon auf 180, wenn ich nur dran denke, gar nicht geht: Fremde Kinder ungefragt ins Netz stellen.Weil der Moment gerade so niedlich ist.
Leider ist uns genau das passiert.
Wir waren mit dem Baby und dem Runzelfüßchen auf der Re:Publica. Es ging nicht anders, das Kind war verletzt, sie durfte nicht in die Kita.
Ich sah mich also schon abwechselnd mit meinem Mann immer wieder die Kinder betreuen. Eine_r könnte in die Sessions, gehen, eine_r bleibt bei den Kindern, dann wird gewechselt. So haben wir das im letzten und vorletzten Jahr glaube ich auch gemacht.

Tolle Kinderbetreuung auf der Re:publica

Aber nein, diesmal gab es eine Kinderbetreuung. Wie großartig, dachte ich noch. Es waren noch zwei andere Mädchen in ähnlichem Alter da, meine Tochter war verschwunden, so schnell konnte ich gar nicht gucken. Sie bastelte, sie bekam Bücher vorgelesen, sie spielten ein Puppentheater. Meine Tochter wollte, dass wir gehen, damit sie mal „allein“ sein kann.
Wir unterschrieben einen Zettel, auf dem wir natürlich den Namen, Kontaktdaten angaben, aber auch gefragt wurden, was unsere Tochter gern mag und was sie essen darf, oder nicht. Die Mitgründerin von Holiday Sitters fragte sogar noch nach, wie viele getrocknete Erdbeeren und Laugenstangen meine Tochter so essen darf. Ich fand das so toll und aufmerksam.

Kinderfoto im Chat

Irgendwann musste mein Mann los, unseren Sohn aus der Kita abholen. Ich saß mit Freundinnen im Kinderbereich und schaute meiner Tochter und ihren neuen Freundinnen beim Spielen im Bällebad zu. Dann wurde angefangen das Bällebad zu leeren, es waren Ringe dort verloren gegangen. Die Kinder halfen natürlich gern mit. Und ich sah, wie sich Handys auf die Szene richteten. Und sprach die Leute an. Eine sagte, sie sei beauftrat worden, hier Fotos zu machen. Die nächste sagte, das sei doch nicht so schlimm, die Kinder würden ja nicht frontal von vorn fotografiert (aber von der Seite durchaus). Ich erklärte, dass ich das nicht möchte.
Leider machte auch eine der Verantwortlichen der Re:publica ein Foto und verschickte es per Chatnachricht (welches Chatprogramm das war weiß ich bis heute nicht). Ich sprach sie an. Sie meinte, es sei kein Kind zu sehen gewesen. Beim Vergrößern des Fotos (und ja, das können wir alle) zeigte sich dann: Ach doch, man kann Kinder erkennen. Sie entschuldigte sich mehrfach, versicherte, dass das Foto nur für interne Zwecke gedacht war. Ob es gelöscht wurde? Ich weiß es nicht.

Meine Tochter im Internet

Wir gingen nach Hause. Und abends wollte ich mich via Twitter bei den Holiday Sitter bedanken, weil sie so einen tollen Job gemacht hatten. Das Runzelfüßchen war happy, wir waren entspannt. Babysitter sind eben eine echte Entlastung im Familienalltag. Bevor ich auf @HolidaySitters klickte, schaute ich mir dann doch deren Feed an. Und ehrlich, ich übertreibe nicht, ich verfiel augenblicklich in Schockstarre. Denn da war meine Tochter im Internet!
Mir wurde heiß und kalt und nach ungefähr 10 Sekunden ungläubigem aufs Handy starren, rief ich Susanne an. Ich hoffe, dass wenigstens sie noch vor Ort wäre, denn ich hatte keine Idee, wie ich sonst dafür sorgen konnte, dass das Foto verschwindet.

Foto aus dem Internet gelöscht

Sie versprach das sofort zu klären und schrieb mir kurze Zeit später, dass das Foto von Twitter gelöscht worden sei. In der Zwischenzeit habe ich natürlich auch die anderen sozialen Medien abgeklappert und meine Tochter auch noch in den Instastorys von Holiday Sitters entdeckt. Ich war sauer und überwältig und wütend. Im Kinderbereich waren mehrere Schilder auf deutsch und englisch angebracht worden, dass die Kinder nicht fotografiert werden dürfen. Ich dachte also, dass mein Kind da wirklich, wirklich gut aufgehoben und sicher sei. Dass sich alle an das Verbot halten würden und keine Fotos von Kindern gemacht werden.
Und dann das. Ich war sauer auf die Firma, auf die Re:publica und auf mich selbst. Weil ich darauf vertraut hatte, dass alle die Persönlichkeitsrechten von Kindern ernst nehmen. Und vielleicht sogar ganz besonders achtsam sind, weil es eben Kinder sind, die selbst keine Ahnung haben und geschützt werden müssen.

Instastory mit Kindern

Ich suchte nach einem Kontakt auf der Homepage von Holiday Sitters und fand nur eine allgemeine Mailadresse. Trotzdem schilderte ich mein Problem und hatte tatsächlich kurze Zeit später eine Antwort von der Mitgründerin. Es täte ihr leid, das Foto sei gelöscht worden. Ich konnte es nach wie vor auf Twitter sehen, glaube inzwischen aber, dass der Cache da vielleicht nicht richtig gelöscht war. Und ob wir morgen darüber sprechen könnte. Ich merkte an, dass mein Kind auch in der Instastory zu sehen sei. Davon wurden Teile gelöscht, auch solche, auf denen andere Kinder zu sehen waren. Ein kleiner Teil, in dem meine Tochter durchaus kurz zu erkennen war, blieb online.
Ich konnte die ganze Nacht kaum schlafen, weil ich mich wirklich ohnmächtig fühlte. Ich hatte darauf vertraut, dass keine Fotos gemacht werden, ich hatte die Leute einzeln angesprochen, es war trotzdem passiert, was ich nie wollte: Mein Kind war im Netz.

Gespräche mit Verantwortlichen

Am nächsten Tag sprach ich zunächst mit der Verantwortlichen der Re:publica, wir hatten uns zufällig getroffen. Und dann mit der Mitgründerin. Es sei ein „honest mistake“ gewesen, sie fand auch nicht, dass man mein Kind da jetzt sooo gut erkennen könnte und es sei halt aus Unwissenheit geschehen. Und wisst ihr was: Das kann ich so nicht gelten lassen. In 2019 muss das meiner Meinung nach anders laufen. Wir bewegen uns alle mehr oder weniger viel im Internet. Und ich finde: Wer etwas postet muss wissen, was er/sie da tut. Wer andere außer sich selbst ins Internet postet, der/die muss deren Einwilligung haben. Und das muss allen klar sein. Wer klar auf den Fotos erkennbar ist, der / die hat entweder zugestimmt, oder muss unkenntlich gemacht werden.

Das ganze Gespräch, was wir übrigens auf englisch führten, war sehr emotional. Klar, weil ich das Gefühlt hatte versagt zu haben, weil ich natürlich sauer war, weil es mir unbegreiflich ist, wie man Kinder ohne Einwilligung der Eltern einfach ins Netz stellen kann. Und von Seiten Holiday Sitters war es auch emotional, zum Einen, weil ich glaube, dass ihr erst dann klar geworden ist, was das bedeutet, wenn man Kinder gegen den Willen der Eltern postet. Und, das will ich nicht verschweigen, natürlich auch, weil dieser Fehler ihr Business bedroht. Versteht mich nicht falsch, ich wünsche dem Unternehmen nichts Schlechtes. Wie gesagt, alle Mitarbeiterinnen vor Ort haben einen super tollen Job gemacht. Sie haben sich um kleine Babys gekümmert, die Größeren bespaßt, waren aufmerksam, zugewandt und nicht eine Sekunde genervt oder überlastet. Ich wollte ja genau das mit meinem Tweet auch honorieren und sagen: Ihr Eltern, kommt zur Re:Publica, es gibt hier so so großartige Kinderbetreuung.
Aber als ich das Foto und die Videos meiner Tochter im Netz gesehen habe, da war mir einfach nur noch schlecht.

Kultureller Zugang zu Kinderfotos im Netz

Mir wurde auch gesagt, dass andere Eltern damit ja „cool“ gewesen seien, für die war das alles kein Problem. Man hatte mich halt einfach übersehen. Da zeigt sich natürlich auch wieder, dass wir als Eltern und Menschen eben sehr unterschiedlich mit diesem Thema umgehen. Ich glaube sogar, dass das kulturell auch anders ist. Als wir in Thailand waren, da wurde ständig auf alles (und unsere Kinder) draufgehalten. Und jedes Mal musste ich eingreifen und das Löschen fordern. Aber das wurde kommentarlos gemacht. Hier musste ich darüber diskutieren, ob der halbe Ausschnitt, auf dem meine Tochter ganz kurz zu sehen ist, nun für die Anderen ok ist, oder nicht. Dabei gehts nicht darum, was für andere ok ist. Sondern um das, was ich als Elternteil als ok beschließe. Im Endeffekt wurde dann auch der letzte Teil der Instastory gelöscht und mir versichtert, dass es keinerlei Kopien von Fotos und Videos auf irgendwelchen Servern geben würde. Aber ob das so ist, ob nicht das Video bei Instagram gespeichert bleibt, ich weiß es nicht.
An diesem Tag gab es übrigens Zettel, auf denen Eltern unterschreiben konnte, dass Foto & Videoaufnahmen ihrer Kinder gemacht werden dürfen.  Ich habe das selbstverständlich nicht unterschrieben, erinnerte mich aber, dass der offizielle Fotograf der Re:publica 2017 sich noch mit mir darüber unterhalten hatte, dass er gar keine Fotos von Kindern machen darf, wenn nicht beide (!) Elternteile unterschreiben, und ihre Einwilligung für die Fotos geben.
Meinen Mann oder mich hatte niemand gefragt, da wurde einfach gemacht und sich dann entschuldigt.

Kinderfotos für die Presse

Es gab einen offiziellen Termin mit der Maus von „Die Sendung mit der Maus“ für den Kinder für einen Pressetermin gesucht wurden. Meine Tochter ging natürlich nicht dorthin. Später kam die Maus in Begleitung eines Fernsehteams zum Dreh in den Kinderbereich, es wurde aber nur die Maus und die Moderatorin gefilmt. Und natürlich, in einer Drehpause, wollte meine Tochter auch ein Foto von sich mit der Maus. Was ich, als ihre Mutter, auch gemacht habe. Gleichzeitig hielt ein Fotograf von der dpa mit seinem Objektiv auf mein Kind. Ich sprach ihn an, dass er das bitte lassen soll. „Aber das sind doch hier ein offizieller Fototermin“, hieß es, da kann ich das gar nicht verbieten. Das stimmte allerdings nicht, der offizielle Termin war Stunden vorher gewesen. Ich bestand auf das Löschen der Fotos (was mir übrigens noch NIE jemand gezeigt hat, es wird immer nur gesagt, dass man das macht).
Ich war müde. Kurze Zeit später gingen wir nach Hause.
Und mir wurde einmal mehr klar: In einer Welt in der alle auf alles drauf halten wird es immer schwerer und schwerer, die eigenen Persönlichkeitsrechte zu schützen. Es ist anstregend, es wird oft mit Unverständnis reagiert und es kostet so viel Kraft.

Deswegen frage ich doch mal euch: Wie seht ihr das? Fragt ihr immer um Erlaubnis? Postet ihr keine (Kinder)Fotos im Netz? Wie geht ihr damit um?

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5 Antworten

  1. Kall sagt:

    Es gehört sich nicht, basta.
    Da meine Tocher längst erwachsen ist, hab ich persönlich nicht das Problem. Aber solnage Kinder nicht für sich selsbt entscheiden können(!) hat man zu fragen und außer im Falle ausdrücklicher Zustimmung die Fotografiererei zu unterlassen. Egal, um was für einen Termin es sich handelt, egal, ob bei einer Veranstaltung eine Zustimmung für die Aufnahme von Bildern gegeben wurde. Kinder sind immer(!) eine andere Baustelle. Und das Bewusstsein dafür muss endlich in die Köpfe der Leuteauch und besonders der professionellen Fotografen.

  2. Hmmm. Also, ich poste ja auch so gut wie keine erkennbaren Fotos meiner Tochter im Netz. Es gibt Ausnahmen, aber wenige (mal in einer Story, aber die bleibt dann nicht permanent). Die Erfahrung, dass Leute mein Kind fotografieren, habe ich bisher noch kaum gemacht, aber ich bin auch wirklich selten mit Kind auf entsprechenden Terminen. Der größte Leak ist eigentlich meine Mutter, die gern Gott und der Welt Fotos schickt. Sie postet die aber nicht auf Facebook oder so.

    Also, ich schätze mal, ich bin relativ locker, was Fotos betrifft, und ich stelle mir Eure Handhabe ziemlich stressig für euch vor, aber ich finde auch, dass man sich unbedingt darauf verlassen können muss, wenn da steht "Nicht fotografieren". Dass das trotzdem gemacht wird, ist einfach scheiße.

  3. Edelnickel sagt:

    Ich habe dann doch jetzt so viel geschrieben als Antwort auf deinen Beitrag, dass ich es verbloggt habe:
    https://bruellmaus.wordpress.com/2019/05/22/kinderfotos-im-netz/

    Liebe Grüße ♥

  4. Magenta sagt:

    Beruhig dich bitte. Was glaubst du, was deine Tochter später von sich für Fotos ins Netz stellt? *evillaughter* ich weiß übrigens, wovon ich rede.

  5. Anonym sagt:

    Oje, die ganze Sache klingt ja super stressig! Ich halte es genauso wie du/ihr. Ich möchte nicht, dass mein Kind fotografiert wird und irgendwo im Internet zu finden ist. Bis jetzt hatte ich noch keine Probleme (auf dem Spielplatz, beim Einkaufen, usw). Allerdings habe ich noch keine Erfahrungen mit größeren Veranstaltungen. Ich wäre da auf jeden Fall auch sauer! Außerdem, was viele Leute vielleicht nicht mitbedenken: es gibt ja auch Fälle, in denen Eltern ihr Kind z.B. vor einem gewalttätigen Expartner_in schützen müssen und nicht gefunden werden möchten. Es ist also nicht harmlos, einfach ein Kinderfoto zu posten… Wünsche nach Löschung sollten immer respektiert werden.

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