Homeoffice mit Kind der besonderen Art

Homeoffice mit Kind(ern) kennen wir inzwischen ja alle zur Genüge. Leider. Aber die Kinder und ich haben uns total gefreut, als uns Lenkradbewegungstechniker auf Twitter geschrieben hat, dass er ein Homeoffice der besonderen Art mit seinem Kind hat. Er fuhr zusammen mit seinem Sohn mehrere Wochen durch Deutschland, um Lasten zu transportieren. Und weil die Kinder das so spannend fanden (und ich übrigens auch), habe ich ihn um ein Interview gebeten.

Erzähl mal, musst du mehr Pausen machen, wegen dem Kind?

Normalerweise fahre ich bis zu 4,5 Stunden am Stück durch, was mit einem Fünfjährigen natürlich nicht immer geht. Wir machen die ein oder andere Pause mehr, um mal kurz Pipi zu machen oder mal um ein Brot zu schmieren, für den Hunger zwischendurch. Allerdings ist das bei Sondertransporten schwierig, da bin ich oft mit Überbreite unterwegs und kann nicht auf jeden Parkplatz spontan raus fahren. Dafür haben wir aber unseren besonderen „Pipi bleib drin!“ – Ruf erfunden.

Langweilt sich dein Nachwuchs auch mal?

Natürlich kommt auch mal Langeweile auf, die kann man sich aber mit Spielen vertreiben, die auch auf der Urlaubsreise möglich sind. „Ich sehe was, was du nicht siehst“ zum Beispiel. Außerdem hat mein Handy ein Endlos-Datenvertrag und der Kleine verbindet sein Tablet damit. So muss er unterwegs nicht auf seine geliebte Paw Patrol verzichten.

Schlaft ihr zusammen in der Kabine?

Wir schlafen zusammen in der Kabine, sogar in einem Bett, da mein LKW auf lange Aufenthalte unterwegs ausgelegt ist und statt einem zweiten Bett oben, dort nur Schränke hat.

Wie kommt ihr zurecht?

Mein Sohn und ich sind ein gutes Team, er hört auf mich so gut wie immer (und genau das empfinde ich als sehr großes Glück). Somit muss ich unterwegs nicht sehr viel wiederholen oder mir Gedanken machen, dass er mal Blödsinn machen könnte. Bei manchen Kunden darf er wie selbstverständlich aussteigen und mit arbeiten, bei anderen darf er es nicht. Genau da muss ich drauf zählen dass er nicht an Knöpfen spielt oder sogar die Handbremse löst, das könnte selbst bei leerem Fahrzeug fatal werden für ihn und andere. Was essen angeht ist er recht pflegeleicht, alles was man mal zwischendurch in der Pfanne zubereiten kann, isst er und sonst gibt es hier und da noch vereinzelte Autohöfe, die das Restaurant zwar geschlossen haben, dafür aber einen Lieferservice auf ihrem eigenen Parkplatz bieten. So kommen wir auch mal an „was ordentliches“

Wie lange seid ihr schon unterwegs?

Der kleine Mann war insgesamt vier Wochen mit mir unterwegs, immer von Montag bis Freitag. Die Kinderwochenenden ist er dann gleich bei mir geblieben und sonst ist er für Samstag und Sonntag auch nochmal zur Mama gekommen. Da er jetzt in die Notbetreuung von seinem Kindergarten darf, werde ich ab jetzt wieder alleine unterwegs sein, wird bestimmt seltsam .

Macht ihr auch Zuhause Pausen?

Meine Touren beginnen meist in der Nacht von Sonntag auf Montag und enden im Laufe des Freitag. Die Uhrzeiten variieren dabei so, wie der Kunde es braucht, oder es bei Sondertransporten die Genehmigung vorschreibt. Mit Sondertransporten sind in meinem Fall die Abmessungen der Ladung speziell, da darf ich meistens nur nachts fahren. Aber selbst das hat Junior über eine ganze Woche super gemeistert. Wir kommen also in der Woche eigentlich gar nicht heim.

Vermisst dein Kind seine Freunde?

Es gibt da zwei Freunde die er sehr vermisst. Da ich die Papas der Beiden kenne und sind wir auf die Idee gekommen, dass die Zwerge sich über Videochat sehen konnten, um sich mal zu unterhalten. Was sehr spannend ist, drei 5-Jährige beim Videochat zu beobachten.

Wie ist diese Zeit für dich?

Es hat alles zwei Seiten. Ich genieße die viele Papazeit mit meinem Kleinsten, mache mir aber auch Gedanken über verschiedene Situationen die man als Erwachsener auch im Voraus sehen muss. Das sind simpelste Dinge wie „wo ist die nächste Toilette“ oder „schläft er denn auch tagsüber, wenn ich wirklich schlafen MUSS, da ich nachts fahren muss“ bis hin zu ganz anderen, auch gefährlichen Sachen die uns im Straßenverkehr passieren können. Jemand übersieht ein Stauende wo wir hinten dran stehen, PKW-Fahrer, die rücksichtslos schneiden. Aber in dieser aktuellen Zeit auch oft der Gedanke ob sich mein Kind irgendwo anstecken könnte, denn man braucht sich nichts vormachen. Zu Hause wäre er geschützter als draussen im LKW wo er jeden Tag Kontakt haben kann zu vielen verschiedenen Menschen.

Was ist am besten an deinem ganz besonderen Homeoffice?

Das wahrscheinlich schönste für mich ist der andere Blickwinkel. Mein Sohn erzählt sehr viel von Dingen die er gerade sieht, das ist meine liebste Beschäftigung mir die Welt von ihm erklären zu lassen, mal die alltäglichen Dinge durch seine Augen zu sehen. Außerdem kann ich ihm auf Tour mit dem LKW Orte zeigen an die so leicht kein anderes Kind kommt. Wir waren zusammen in Rotterdam im Hafen und haben spezielle Rohre geladen zwischen riesigen Containerschiffen, den Hamburger Hafen wo wir diese Rohre wieder entladen haben, waren in ganz Deutschland unterwegs und fast immer hat er etwas gefunden was man bestaunen kann. Das für mich das schönste ihm beim Glücklichsein zusehen zu können.

Und was das schlechteste?

Nicht jeder Kunde kann damit umgehen das ich ein Kind an Bord habe, uns wurde der Zugang zu sanitären Räumen verweigert, wegen der Gefahr das wir sie mit Corona anstecken könnten. Es gibt halt leider nicht nur freundliche Menschen. Ich persönlich würde die Sorge um mein Kind eigentlich auch noch zu den schlechten Dingen zählen, wie vorher geschrieben, kann er sich unterwegs ja doch eher anstecken als zu Hause.

Danke für dieses tolle Interview! Und, als kleines Update, inzwischen ist der Junge wieder zuhause und sein Papa vermisst ihn während der Fahrten doch ziemlich!

Wie sieht euer Homeoffice mit Kindern aus?

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